Folge 41: 28.-31.05.2004 - 13. Wave Gotik Treffen, Leipzig (Teil 4 / 4)

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 Teil 4 - Montag 31.05.2004:

Finale Oooho.. ;)... Guten Morgen und willkommen zurück zum letzten Teil des großen WGT-Rückblicks. Heute gänzlich vom Agra-Gelände, wo einmal mehr das inzwischen traditionelle Feuertanz Festival mit satten 10 Bands aus Folkrock und Mittelalter auf dem Programm stand:

Wie schon die Tage zuvor, begann auch der heutige mit einer gemütlichen Liegestunde im Ritti-Mobil. Doch irgendwas war anders als sonst! Die gewohnte Idylle des Treffen-Parkplatzes hatte einer unwohligen Betriebsamkeit das Feld überlassen, bei der man nicht wenige Besucher dabei beobachten konnte, wie sie ihre Schateken vom Zeltplatz in Richtung Fahrzeug karrten, um später am Abend zügig abzureisen. Zudem hatten nicht wenige Besucher offenbar ihr Treffen-Soll bereits erfüllt (manch einer muss schließlich am Dienstag wieder arbeiten) und machten sich unverhohlen aus dem Staub.

Es war schon eine seltsame Atmosphäre die gegen Mittag über dem Treffengelände hing. Aller Orten herrschte Aufbruchstimmung und zu dem emsigen Treiben rund um Zelt- und Parkplatz gesellten sich nach über drei Tagen Sonnenschein nun auch die ersten dunkleren Wolken am Himmel.

Da bis zum Beginn des Feuertanz-Spektakels noch eine knappe Stunde Zeit blieb, machte ich mich noch einmal auf den Weg in die Messe-Halle, um die einzelnen Stände noch etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Dabei fiel mir überraschend auf, dass der Sonic Seducer bereits seine Zelte abgebrochen hatte und dort wo zuvor noch fleißig Autogramme geschrieben wurden nun ein gähnendes Loch klaffte. Warum und wieso sei jetzt mal dahin gestellt, aber dass eines der bekanntestes deutschen Szene-Magazin vorzeitig die Veranstaltung verlassen hatte fand ich schon etwas eigenartig.

Im Anschluss an den Messe-Besuch folgte ein weiterer Gang ins Treffen Café. Auch hier herrschte mächtig Tote Hose. Keine Spur mehr von dem Hochbetrieb der letzten Nacht, stattdessen verbarrikadierte Stände und spärlich besetzte Tische an denen geschundene Krieger ihre Wunden leckten. Kein wirklich berauschendes Bild!

Insofern war ich froh als gegen kurz nach 14 Uhr endlich das Programm in der Agra-Halle begann und die ersten Mittelaltermusikanten von der Kette gelassen wurde, um inmitten aller Trostlosigkeit für ein wenig für Unterhaltung zu sorgen. Ungeachtet der Tatsache, dass dieses Jahr nicht unbedingt die großen Namen auf dem Tableau standen stürzte ich mich daher gleich ins Getümmel und wurde Zeuge der ersten Band des Tages: Vivus Temporis!

 Vivus Temporis:

Was die vier Herren im studienreifen Alter auf der Agra-Bühne so veranstalten, vermochte mich aber auch nicht so recht zu überzeugen. Als 110. Aufguss des Themas Mittelalter meets Moderne bediente die Truppe alle Klischees derer sie habhaft werden konnte, was beim altertümlichen Spielmannsoutfit der Jungs begann sich über die typische Instrumentierung mit Dudelsack, Davúl und Schlagzeug, bis hin zu den abgedrehten Pseudonymen der Protagonisten vom Schlage eines  „Hieronnymus von Sahlis“, „Dschieses von Haagesteyff“, „Picus von Corvin“ oder Yanishar der Suppenländer zog.

Womit wir auch gleich beim Thema wären, der Suppe, die das Quartett hier seinem Publikum auftischte:

Eingerahmt von Wolf- und Schafstänzen führte die musikalische Reise quer durch das mittelalterliche Europa und verknüpfte „Abakan“, ein Lied über Fischer am Fluß Dnjepr, mit einer altgedienten Skudrinka. Wirklich prickelnd wirkte das Ganze jedoch nicht, was weniger an den Musikern selbst lag. Als man im ersten Augenblick annehmen durfte. Denn um es kurz zu machen: Mittelaltergekloppe wie dieses funktioniert auf einer spartanisch eingerichteten und übergroßen Bühne wie der Agra einfach nicht! Hätten Vivus Temporis im heidnischen Dorf noch launig ausgesehen und gut gepasst, erweckten sie in der Agra mehr den Eindruck einer mutwillig ins kalte Wasser geschmissenen Schülerband.

Insofern war die Stimmung im Publikum auch nicht ganz euphorisch wie sonst. Mal abgesehen von einigen Wolfsheulern, hatten sich erst wenige Besucher in die Agra Halle begeben, die sich kaum aus der Reserve locken ließen. Abwarten und Tee-Trinken schien das Motto, bis die Spielleute nach einer knappen halben Stunde mit einem höflichen Applaus verabschiedet wurden.

 Schelmish:

Die nächste Band des Tages hatte da schon ganz andere Kaliber am Start! Nachdem ich an der Theke erneut auf den lustigen Wikinger vom Haggard Konzert stieß, dessen Kopfbedeckung inzwischen wieder zum Einhorn derangiert war, ging es umgehend zurück zur Bühne, wo nun Schelmish zum Großangriff bliesen.

Im vergangenen Jahr an selber Stelle eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe, hatte die siebenköpfige Spielmannstruppe aus dem Ruhrgebiet auch heute wieder mächtig aufgefahren: Zahllose Blasinstrumente und eine gigantische Trommel schunden angrenzendem Schlagwerk schunden mächtig Eindruck, als die Band vor mittlerweile gut gefüllten Rängen zur Tat schritt.

Natürlich gab es für den plötzlichen Andrang auch einen Grund, denn wann immer Schelmish irgendwo auftreten, ist es ist es im Prinzip vollkommen egal, was sie spielen. Was begeistert ist die Art WIE sie es spielen:

Als Kind offenbar in den Zaubertrank gefallen, hatten die „Obelixe“ der Mittelalterszene auch heute wieder die Spielfreude mit dem ganz großen Löffel gefressen und verströmten eine unbändige Energie. Angetrieben vom mächtigen Donnern der Megatrommel, wuchteten Rimsbold, Amsel, Desdemonia und Altmeister Dextro sich und ihre Instrumente in einem Affenzahn über die Bühne, dass es einem schon beim Zusehen schwindelig werden konnte. Somit verwunderte es nicht, dass das Eis zwischen Band und Publikum in Windeseile brach und mit einem reinrassigen „Boah Ey“-Effekt vor der Bühne mitgegangen wurde. Der Rhythmus wo man mit Muss, wenn man so will!

Natürlich kam bei den schelmischen Musikanten auch der Humor nicht zu kurz. So begrüßte Dextro die Meute mit dem selbstironischen Stauner „Ihr seid alle gekommen um so Fressen wie uns zu sehen?!?“ und auch Ludi und Rimsbold hatten heute einen Clown gefrühstückt und legten als ungleiches Paar eine flotte Sohle aufs Agra-Parkett. Abgeschlossen wurde der komödiantische Reigen dann von der obligatorischen Bandvorstellung, bei der zur Ausnahme mal Frau Amsel von Niedeggen ihr Fett weg bekam, als Dextro den alten Kalauer bemühte: „Die Niedeggen...die lässt sich nie Decken!“. Hihi wer es glaubt ;)

Nach einer halbe Stunde Volldampf, in der man sich durchaus fragen konnte, woher diese Jumbotruppe eigentlich ihre Energie nimmt, war der Spuk leider schon vorbei und die fröhliche aufgedrehte Partymeute wartete darauf, den nächsten dicken Brummer vorgesetzt zu bekommen.

 Remember Twilight:

Dieses Unterfangen gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet! Schließlich musste erstmal die ganze Mischpoke der Schelmishen Musikanten beiseite geschoben werden, bevor wieder ans Musizieren gedacht werden konnte.

Typisch für das Wave Gotik Treffen, hatten die Programmplaner nun mal wieder eine musikalische Weiterbildungsmaßnahme für die Besucher vorbereitet. Nach so illustren Spielarten wie Speed-Folk oder Mittelalter-Darkwave aus dem vergangenen Jahr, prägte die nun folgende Band „Remember Twilight“ den Begriff „Kammermusik-Core“, was in etwa die Kurzform von „Hardcore-Folk-Punk mit kammermusikalischen Elementen“ darstellt und sich in der Praxis wie eine Mixtur aus den „Inchtabokatables (Gott hab sie selig) und der Letzten Instanz anhörte.

In anbetracht der Tatsache, dass die sechsköpfige Truppe bis dato erst eine Demo-CD sowie ein von Alex Krull (Atrocity) produziertes Promo Scheibchen an den Start gebracht hat, versammelten sich doch beachtlich viele Zuschauer vor der Bühne, um sich einmal gehörig rocken zu lassen, was dann auch passierte!

Wild und Ungestüm ging es zur Sache! Sogar so wild, dass die an sich schon arg vermatschte Akustik der Agra-Halle völlig auseinander fiel. Hauptsache laut, röhrte irgendetwas schwer Definierbares aus den Boxen und schallte von den kahlen Wänden zurück ins Getümmel. Hier von einem „Live-Sound“ zu sprechen grenzte an Schönfärberei. Somit machte es einem die Akustik unnötig schwer, einen Zugang zum „kammermusikalischen Kernelement“ zu finden.

Aus diesem Grunde werde ich mich eines eingehenderen Kommentars zur gebotenen Leistung der Band enthalten. Mein Bauchgefühl verriet mir aber, dass Remember Twilight noch ein ganzes Stück Weg vor sich haben, wollen sie an das Format oben genannter Bands anknüpfen.

Was hingegen positiv ins Gewicht fiel, war, dass nach dem Ende des Konzertes höchst selbst Promo-Cds ans feiernde Volk verteilt wurden und damit manch tinital beeinträchtigtes Gehör mit schmuckem Klangwerk aus der Dose gesalbt werden konnte. „Fight Fire With Fire“, um es mal mit Metallica zu sagen!

 Adorned Brood:

Ein bisschen Folk-, ein wenig Medieval- und dazu eine gehörige Portion Schwarzmetall, das sind die nordisch kühlen Markenzeichen der Grevenbroicher Rustikal-Metaller von Adorned Brood, die sich nun bereit machten, dem WGT-Publikum einen deftigen musikalischen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen und zu zeigen dass es auch Abseits bekannter Genre-Acts wie Subway to Sally oder In Extremo Bands gibt, die wissen wie man ein ordentliches Brett spielt.

Obwohl auch ihnen nicht der beste Live-Sound zur Verfügung stand, brachten Frost und Ingeborg-Anna so gut es eben ging das Thema „Adorned Brood“ auf den Punkt und sangen zum Spiel ihrer Bandkollegen zumeist im Wechsel einige der gängigsten Titel des Repertoires.

Anders als die meisten Bands beim WGT 2004 verlegten sich Adorned Brood jedoch nicht nur auf das replizieren vergangener Großtaten, sondern gewährten gleichermaßen einen großzügigen Ausblick auf die Zukunft mit dem gleich drei neue Stücke präsentiert wurden.

Nummer 1, „Lauf Mein Engel“, stellte einen Vertreter der Brecherzunft, bei dem Frost mit aggressiven Kreischattacken lautstark auf sich aufmerksam machte.  Nummer 2, „Felidae“, war eher im mittleren Tempo angesiedelt und bestätigte die Linie des immernoch aktuellen Albums „Erdenkraft“. Der letzte „Neueinsteiger“ schlug indes ungewohnte Klänge für Adorned Brood an und zeigte, dass sich auch diese Band in den vergangenen Monaten weiterentwickelt hat. So sorgten fast schon poppigen Arrangements sorgten und dezente Elektronikspielereien für ungewohnte aber keineswegs unangenehme Massentauglichkeit, während „Der Sandmann“ dem WGT-Fans einen Hausbesuch abstattete.

Mit dem heftigen Asgard-Schwinger „Wiederkehr“ verabschiedeten sich Adorned Brood nach knapp einer Dreiviertelstunde und liessen sich von einem Abschließenden Applaus verdientermaßen feiern, denn obwohl die Band beileibe keine typische Gothic-Kombo ist, kamen Frost und Co. in Leipzig gut an und das ist schließlich die Hauptsache.

 Faun:

Als nächste waren nun die Münchener Medieval-Dark-Waver von Faun an der Reihe, an deren Beispiel man mal wieder feststellen durfte, wie schnell man im Gothicszene zur Hausnummer werden kann, wenn man mit einem Album wie „Licht“ ein kleines musikalisches Juwel erschafft dessen klangliche Schönheit sich schwer in Worte fassen lässt. Hier setzt sich Qualität eben doch noch durch!

Im letzten Jahr noch als Opener ins kalte Wasser geschmissen, erfreuten sich Faun heute einer stark verbesserten Spielposition und lockten somit eine Menge Fans an, die sich von der märchenhaft inszenierten Melange aus keltischer Mythologie, mittelalterlicher Spielkunst und filigran verwobenen Darkwavesounds verzaubern lassen wollten.

Für meine Begriffe eine Art inoffizieller Headliner des letzten Treffentages, schaffte es die fünfköpfige Gruppe, bestehend aus Oliver „SaTyr“ Pade, Elisabeth Pawelke, Fiona Rüggeberg, Rüdiger Maul und Niel Mitra vom ersten Augenblick an, die Eleganz und Erhabenheit ihrer Songs auf die wenig märchenhafte Bühne zu zaubern. Dabei konzentrierten sie sich vornehmlich auf die Stücke des aktuellen Album und schoben im Anschluss an den ohrwurmigen Eröffnungstitel „Punagra“ mit „Unda“, „Egil Saga“ und „Wind und Geige“ gleich zwei weitere Goldstücke nach.

Wie nicht anders zu erwarten zogen Faun das Publikum vollkommen in ihren Bann. Besonders bemerkenswert war die kontrolliert ruhige Art mit der die Show von statten ging, denn obwohl die Songs der Faune deutlich tanzbare Elemente aufweisen strahlen sie gleichermaßen Harmonie und innere Ruhe aus, die sich auch auf die Darbietungen der Musiker(innen) übertrug, welche jederzeit wohlüberlegt und ohne Hektik agierten.

Leider war auch das Konzert von Faun in die zeitlichen Zwänge des Festivalplanes gezwängt, sodass nach knapp 40 Minuten zum große Zapfenstreich geblasen wurde, was dem Publikum ganz und gar nicht in den Kram passte. Obwohl Faun sogar mit neuem Material aufwarteten setzte es nach Spielschluss vereinzelt Buhrufe, da dem lautstarken Wunsch nach einer Zugabe leider nicht entsprochen werden. Auf diese Weise endete die traumhafte Vorstellung wie so viele schöne Träume: Immer wenn’s am schönsten ist wird man plötzlich wach!

Was bleibt ist die Gewissheit, dass Faun den eingeschlagenen Weg weiter beschreiten werden und in den kommenden Jahren zu den absoluten Top-Acts der Szene aufsteigen dürften.

 Cornix Maledictum:

Das halbe Dutzend in Sachen Live-Shows füllten wenig später dann die Jungs von Cornix Maledictum, die ich ebenso wie Faun und Schelmish schon im letzten Jahr auf dem Wave Gotik Treffen erleben durfte. Da mir die aktuelle CD des Duos / Trios (so ganz steig ich da immernoch nicht durch) als erfrischendes Stück mittelalterlicher Spielmannskunst positiv in Erscheinung getreten war und ich letzten Mal leider nur den Schluss ihrer Show im heidnischen Dorf begutachten konnte, war ich sehr gespannt wie sich Ardor vom Venushügel und sein Kumpel Steffen in der biederen Agra-Halle verkaufen würden.

Begleitet von „Mario der Zunge“ an „Dudelsack und Percussion“, tobten sich die Spielleute jedoch auf der Bühne richtig aus und versuchten ihre zweifellos vorhandene Energie auf das Publikum zu übertragen. Irgendwie wollte der Funke aber nicht so recht überspringen, was zum Teil am baulichen Rahmen der Agra lag, die vor dem Lautstärkepegel der beiden Dudelsäcke kapitulierte. Andererseits lag es aber auch ein wenig an der Band selbst. Vor allem Ardor wirkte Eingangs ziemlich nervös und kam erst nach 2-3 Stücken richtig in Tritt. Später lief es dann aber umso runder und so holten sich Cornix Maledictum unter anderem für die stimmungsvolle Zugabe „Der Hexer“ doch noch einen gepflegten Applaus ab.

Bevor das Trio nach 45 Minuten das Weite suchte, kündigte Ardor abermaliges Erscheinen zu späterer Stunde an, womit er in diesem Falle weniger sein Engagement bei Corvus Corax, als ein kleines Intermezzo meinte, welches vor dem Mila Mar Konzert noch für Gesprächsstoff sorgen sollte.

 Von Totentänzen und Venushügeln:

Wie vom Programmplan abzulesen, übernahmen als nächstes die Herren von Saltatio Mortis die Bühne, um gemeinsam mit ihren Fans ihr neuestes Album „Erwacht“ abzufeiern. Da dieser Rundling in meinem Gehör bisweilen lediglich für Ohrenpeyn gesorgt hatte, entschloss ich mich kurzfristig die Halle zu verlassen und darauf zu spekulieren, dass die muntere Herrenriege um Frontmann Alea, Kraft der ihnen verliehenen Bühnenpräsenz einen gelungenen Auftritt hinlegen würden. Und so ich tat gut daran meinen Ohren eine kleine Verschnaufpause zu gönnen, denn was anschließend auf das shutzlos ausgelieferte Publikum losgelassen wurde verlangte nach einem guten Nervenkostüm (und damit meine ich nicht Anke Hachfelds Gesangseinlagen!) Anstelle der blonden Zauberfee durfte Leipzig nun mit Ardor vom Venushügel vorlieb nehmen, der seine Drohung von vorhin wahr gemacht hatte und an der Seite einer Keyboarderin mit Gasmaske zu einem Intermezzo der schaurig bizarren Art anhob:

Ohne Rücksicht auf Verluste gab der „Schlacks“ Billy Idols Klassiker „White Wedding“ in der Mittelalter-Fetisch-Klimbimversion zum Besten und hüpfte fröhlich Playback-murmelnd mit einem Dudelsack vom Typ „Star Trek - Generation Blinklämpchen“ quer durch die Manege. Was Ardor mit dieser grottenpeinlichen Einlage bezwecken wollte, weiß wohl nur er selbst. Das Publikum jedoch war sich einig: DER MANN MUSS WEG! Was Ansager Elvis im vergangenen Jahr mit seine X-Tra Klamotten-Werbung verbockt hatte, wurde von Herrn „vom Venushügel“ hier mit Leichtigkeit unterboten.

Den absoluten Tiefpunkt des WGT 2004 markierend wurde er daher zurecht mit wütenden Buhrufen aus der Halle gejagt. Der Pausenclown hatte fertig!

 Mila Mar:

Mit Mila Mar hielten zum Glück wieder etwas mehr Eleganz und Anspruch in die Agra-Halle Einzug. Souverän wie eh und je lieferten Anke Hachfeld und Maaf Kirchner ein Konzert voller Mystik, Harmonie und elfengleicher Schönheit ab, bei dem sie ihr Publikum auf eine musikalische Reise voll majestätischer Momente entführten, die in Begleitung ihrer Live-Musiker an Geige, Cello (Tach Herr Deutung) und Schlagzeug einen repräsentativen Querschnitt des bisherigen Schaffens boten.

Gleichermaßen intensiv wie ausdrucksstark wurde Anke Hachfeld heute einmal mehr ihrem Ruf als Diva der Gothicszene gerecht. Mit beachtlichem Stimmumfang meisterte sie selbst tiefste Lagen, um sich im nächsten Moment in schwindelerregende Höhen zu Schrauben, während Mimik und Gestik die Songs gefühlvoll untermalten. Um es kurz zu machen: Es war ein Erlebnis!

 Auf Wiedersehen WGT:

Da man bekanntlich aufhören soll, wenn es am schönsten ist, neigte sich mit den letzten Klängen von Mila Mar mein persönliches Wave Gotik Treffen 2004 dem Ende entgegen. Einen letzten Blick auf die Bühne werfend, verließ ich mich schweren Herzens die Agra-Halle in Richtung Ritti Mobil, dass mich schon in wenigen Minuten nach Hause tragen sollte.

Obwohl das offizielle Programm noch nicht beendet war und mit Schandmaul, bzw Corvus Corax noch zwei hochgradige Stimmungskanonen am Start standen, war, so komisch das klingt, mein Bedarf an mittelalterlicher Musik für heute gedeckt. Zudem konnte der heutige Tag kein neuerliches Highlight setzen.  Wenngleich Faun und Mila Mar auf ganzer Linie überzeugten, Schelmish mächtig für Wirbel sorgten und  Adorned Brood zeigten, wie variabel Folkmetal sein kann, waren auch ein paar sehr durchwachsene Darbietungen dabei, die nicht gerade vom Hocker rissen.

Insgesamt war das Fehlen solcher Stimmungsbomben wie Subway to Sally, In Extremo oder der Letzte Instanz deutlich spürbar und wirkte zu einem gewissen grad Spaßhemmend. So pilgerten nicht nur deutlich weniger Leute in die Agra Halle, sondern selbst die die da waren hielten sich mit ihren Feierlichkeiten ziemlich zurück und passten so ihre Laune dem Wetter an. Denn draußen hatte am späten Nachmittag der Himmel über Leipzig heimlich still und leise zu weinen begonnen.

Wie gesagt, mit gemischten Gefühlen irgendwo zwischen wehmütigem Abschiedschmerz und der Vorfreude auf ein ordentliches Bett wanderte ich ein letztes Mal zurück zum Parkplatz und von dort aus ging es um Punkt 22 Uhr zurück in die Heimat.

 Das Fazit:

Alles in allem kann ich sagen, dass das Wave Gotik Treffen 2004 wieder einmal seinen Status als einzigartige Veranstaltung in der europäischen Festivallandschaft unterstreichen konnte. Nirgendwo sonst trifft man auf eine derart breite Palette kultureller Einflüsse und kaum eine Veranstaltung bietet soviel Spielraum für die persönliche Entfaltung des Einzelnen wie das WGT. Egal ob Musikprogramm, Zeltparty, Kinoabend oder die Buchlesung bei Kerzenschein, für jeden Geschmack war etwas dabei. Somit verwundert es nicht, dass in diesem Jahr weit über 20.000 Besucher aus dem In- und Ausland nach Leipzig pilgerten, um an diesem besonderen Spektakel teilzuhaben.

Überdies muss man Veranstalter InMove ein großes Kompliment ausstellen:

Wenngleich bei einem Festival von der Größenordnung des WGT organisatorische Reibungspunkte nicht ausbleiben, waren Ordner und Bühnenkräfte jederzeit bemüht einen für alle Seiten anstandslosen Job zu abzuliefern und den Besuchern das Gefühl von Willkommenheit zu vermitteln. Im Gegenzug bedankte sich das Gothicpublikum auf seine gewohnt pflegeleichte Art: Obwohl bei dem ein oder anderen Konzert schon recht heftige Pogoattacken geritten wurden (siehe Fixmer/McCarthy), konnte von Randale nie die Rede sein und selbst das Aufeinanderprallen manch alkoholisierter Gestalten in voll besetzten S-Bahnzügen, erwies sich als unproblematische Familienangelegenheit.

Angesichts der Tatsache, dass beim WGT jeder seine eigenen Glückes Schmied ist, darf ich der 13 Auflage des Treffens eine gute Note ausstellen. Vom Eingangs erwähnten Drama in 4 Akten konnte keine Rede sein, da es an allen Tagen interessante künstlerische Beiträge zu erleben gab, von denen naturgemäß manche mehr und andere weniger eindrucksvoll ausfielen. Einzig der Montag blieb nach dem fantastischen Feuertanz-Event 2003 in Ermangelung dicker Fische deutlich hinter den Erwartungen zurück und sollte beim nächsten Mal entweder verstärkt oder stilistisch erweitert werden.

Zu meinen persönlichen Topacts des WGT 2004 wiederum zählte allen voran Ex-Kraftwerk Mitglied Karl Bartos, dessen retroelektronisches Multimediaspektakel für mich das mit Abstand fesselndste Konzerterlebnis seit langem geboten hatte. Rang zwei geht an Icon of Coil: Andy LaPleguas souveräne Art während des Technikkollapses und die anschließende Power des Schwedentrios zeigten, dass auch Elektrobands mächtig rocken können. Die Bronzemedaille überreiche ich feierlich an die Damen und Herren von Faun. Als Sinnbild musikalischer Eleganz und Ausdrucksstärke hat sich das Quintett seinen Platz redlich verdient.

Die weiteren Ränge in unsortierter Reihenfolge gehen an:

-„After Forever“ fürs Doppelt so schnell Spielen
-„Fixmer/McCarthy“ für die heftigste Druckwelle
-„Camouflage“ für ihr Stehvermögen
-„Haggard“ für geniale Gänsehautmomente
-„Uwe Kanka“ für den „Kraxelhuber“ des Wochenendes
-„Jorek von der Solheim Sippe“ für seine gewichtige Darstellung des Thor
und last but not least,
-den „namenlosen Wikinger“ einfach nur für´s dasein!

Neben den musikalischen Genüssen des WGT gesellten sich aber auch ein paar Gurken ins Programm. Schlimmstes Beispiel hier, der unsägliche Überraschungsangriff des Herrn „vom Venushügel“. Seine Art auf dem Vermächtnis einer lebenden Legende wie Billy Idol herumzutrampeln, sorgte nicht nur bei mir für gepflegtes Stirnrunzeln. Als unnötig und kitschig abgetan, verlieh ihm das Publikum die ultimative Arschkarte!

Weitere Tiefschläge dieses Kalibers waren glücklicherweise nicht zu vermelden und so durfte man in Leipzig für vier Tage der realen Welt entfliehen und an mehr als einem Dutzend, teils wunderschöner Veranstaltungsorte in den Mikrokosmos „Gothic-Szene“ eintauchen. Das über weite Strecken wundervolle Pfingstwetter trug sein übriges zum Gelingen der Veranstaltung bei und weckt bereits jetzt die Vorfreude auf das kommende Jahr, wenn pünktlich zu Pfingsten in Leipzig wieder schwarz getragen wird.

Mir bleibt an dieser Stelle nur noch, mich für eure Aufmerksamkeit und euer Durchhaltevermögen zu bedanken. Ich wünsche ich euch alles Gute und bestimmt trifft man sich in diesem Sommer noch auf dem ein oder anderen Festival. Für heute will ich mich nun von euch verabschieden und sage Tschüß bis zum nächsten Mal,

Euer Ritti

Und hier gehts zur Tages-Ga”ll”erie!