M´era Luna 2007:   -Tag 1-    
-Tag 2-

11.08.2007 - 8. M´era Luna Festival -Tag 1- (Flugplatz, Hildesheim Drispenstedt):

Hallo liebe Freunde und ein weiteres Mal willkommen zu Rittis Feierabend.

Wir schreiben noch immer den Festivalsommer 2007, der sich nach zahlreichen Events im gesamten Bundesgebiet langsam seinem Ende nähert. Wie in jedem Jahr zierte auch in diesem Jahr wieder das M´era Luna den schwarz gebundenen Terminkalender und lud nach WGT, Woodstage und Amphi Festival, am 11. und 12. August als letztes und größtes Gothicevent der Saison zum Stelldichein der schwarzen Szene auf dem Flugplatzgelände im niedersächsischen Hildesheim-Drispenstedt.

Nach 7 fetten Jahren mit jährlich weit über 20.000 Besuchern, sollte das M´era Luna Anno 2007 erstmals in seiner Geschichte ernsthaft auf dem Prüfstand stehen. Grund hierfür war das ungewöhnliche Line-Up, mit dem Veranstalter FKP-Scorpio im Vorfeld für einigen Zündstoff unter den M´era Luniacs gesorgt hatte. Vor allem die Headliner sorgten vielerorts für Stirnrunzeln und warfen die Frage auf, ob Bands wie "Tool", die ohne Zweifel zu den genialsten Musikern auf diesem Planeten zählen, "Deine Lakaien" samt Orchester oder die (G)Oldies "The Jesus and Mary Chain" auf einem Festival der erotischen Vampirgeschichten, der Dudelsäcke und Elektrohämmer die richtige Wahl waren.

Die Frage war also, ob es dem M´era Luna mit dieser Konstellation gelingen würde nach dem großartigen 2006 seinen Status als dicksten Brocken im Festivalkalender zu verteidigen oder zumindest die jährliche Mindestmarke von 20.000 Gästen zu halten. Leicht würde das Unterfangen sicher nicht werden, aber wer nicht hin und wieder auch mal auf Risiko spielt, wird sich früher oder später nicht mehr von der Stelle bewegen. Und so konnte man das M´era Luna Programm in diesem Jahr als Versuch deuten, die eingefahrenen Pfade aus im 2-Jahres-Rhythmus wiederkehrenden Bands zu verlassen und „Fair to Midland“, „Pain“, oder „Dir En Grey“ Acts ins Boot zu holen, die man nicht unbedingt auf dem M´era Luna erwarten würde.

Trotz aller Kritik am Programm die sich FKP Scorpio gefallen lassen musste (und in einem Fall auf die Kritik der Fans reagierte indem sie den Timetable umstellten), befanden sich doch mehr musikalische Highlights in der Pipeline als es manch einer zugeben wollte. Man musste sich nur darauf einlassen! Und so begann am Freitagnachmittag die Anreise zum großen Experiment, während sich der Himmel über Hildesheim zusehends verfinsterte.

 Wenn wilde Wolken weinen:

Wettermäßig gehörte der Sommer 2007 bisher zu den Unberechenbarsten seit Jahren. Anstatt sich eindeutig für Regen oder Sonne zu entscheiden, pieselte es mit schöner Regelmäßigkeit vor den Festivals tagelang kleine Hunde, nur um sich am Tag X dann doch noch in letzter Minute aufzuheitern. Am schlimmsten erwischte es dabei das Rock am Schloss, welches wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt werden musste. Und auch das Wacken Open Air hatte vor einer guten Woche noch voll eins auf die Nüsse bekommen, sodass eine Minute vor Zeltplatzöffnung nicht fest stand, ob das Festival stattfinden würde, gefolgt von dreitägigen Wackener Schlammfestspielen unter hämisch grinsender Sonne.

Bei seinem Wettercocktail für das M´era Luna schien sich Petrus am Freitagnachmittag ebenfalls noch nicht so ganz sicher zu sein was er wollte und orientierte sich bei seiner Wahl an den 5 D´s des Dodgeball: duckend, deckelnd dribbelnd dotzend und ...äähh...duckend nahm sich der Wettergott der M´era Luna Fans an und sandte ihnen einen feuchten Willkommensgruß, der sich gewaschen hatte. Kaum war der Zeltplatz eröffnet, begann auch schon die kleine Sintflut, mit der sich bis zum Abend und in der darauf folgenden Nacht praktisch das gesamte Areal in ein hübsch glibbriges Feuchtbiotop verwandelte, bei dem nur die schnelle Reaktion des Veranstalters, mit Strohauslagen und Holzplanken an den Sanitäreinrichtungen, eine Ausdehnung des Hildesheimer Wattenmeeres verhinderte.

Wenn wilde Wolken weinen hat der Durchschnittscamper nichts zu lachen. Eher schon, wer es sich leisten kann die Nacht im heimischen Bett oder dem Hotel zu verbringen und so dem gröbsten Schlam(m)assel zu entgehen, bzw irgendwann im Laufe des Samstagvormittages trockenen Hauptes in Richtung Festivalgelände zu marschieren. Pünktlich wie ein Maurer hatte Petrus nämlich sein mitternächtliches Duschbad beendet und drehte im Laufe des Vormittags endgültig den Hahn zu. Einem grau bedeckten Himmel folgten am frühen Nachmittag die ersten blauen Flecken am Firmament und schon wenig später lachte die Sonne. Wobei es wohl im Auge des Betrachters lag, ob sie das Festival an- oder die begossenen Camping-Pudel auslachte. Am Ende war´s wohl ein bisschen von beidem.

Ich für meinen Teil gehörte mal wieder zur Fraktion der Heimschläfer und war nach den Schilderungen einiger Betroffener froh, auf der Fahrt nach Hildesheim die letzten Tropfen des Wochenendes nur aus der Fahrerperspektive mitbekommen zu haben. So musste ich mich auf dem Weg zum Einlass zwar noch durch die aufgeweichte Schmodderpampe des Zeltplatzes in Richtung Gelände kämpfen, stieß aber schon relativ bald auf Asphalt, wo sich bereits mehrere ungewöhnlich lange Schlangen gebildet hatten, die einem das Gefühl vermittelten, das M´era Luna wäre doch nicht so flau besucht, wie es einen die diversen Forumsdiskussionen hatten glauben machen wollen. Doch zu früh gefreut: Die Security am Eingang hatte den Zutritt zum Gelände noch nicht freigegeben und so staute sich der erste Schwung für einige Minuten in diesen unglaublichen Schlangen, bis der Einlass begann.

 Mitten ins Vergnügen: Eine Platzbegehung

Eingespielt und zügig arbeitete sich das Gatter-Team anschließend durch die anstürmenden Massen und schaffte es den entstandenen Stau binnen kürzester Zeit aufzulösen. Wo andere Sicherheitstrupps für so einen Anlauf schon mal eine Viertelstunde benötigen, dauerte es keine 5 Minuten, bis ich mich aus dem hinteren Drittel der Schlange kommend durch das knackenge Wurstgitter presste und den ersten Fuß auf den "unheiligen Acker" setzte.

Linksseitig des Eingangs ab sofort mit EC-Automaten und dem neu eingeführten Chill-Out Zelt samt Sitzgelegenheiten, Discobetrieb und Cocktailbar ausgestattet, fiel die Orientierung auf dem zwischenzeitlich mit Stroh bepflasterten Gelände trotzdem leicht. Die meisten Stände, Dixi-Toiletten, FOH-Tower und die Bühnen erweckten den Eindruck als hätte man sie vom letzten Jahr einfach stehen gelassen (was auf den Hangar logischerweise sogar zutrifft ;) ) und befanden sich an den gewohnten Stellen.

Kulinarisch bot sich dabei eine breite Palette zwischen Chinawok und Dönermann, den Burger- und Frittenbuden, sowie den obligatorischen Pizza- und Pastaständen, sodass für jeden Geschmack etwas dabei war. Cocktails, Kaffee, Hopfenkaltschalen und Alkoholfreies rundeten das Angebot ab und wer sich mit Kleidung, CD´s und sonstigen Devotionalien eindecken wollte, konnte dies auf der großzügig angelegten Händlermeile tun. Welche im Gegensatz zu den teilweise noch geschlossenen Gastro-Ständen schon ihre ersten Kunden begrüßen durfte.

Auffällig im Vergleich zum letzten Jahr waren hingegen die frisch erhöhten Getränkepreise. Pro Becher 0,3 knöpfte Beck´s den Besuchern für Bier und Alkoholfrei stattliche 3,80 € einschließlich Pfand ab und kassierte für 0,2 Liter Wasser einen Euro plus Pfand, ohne dabei rot zu werden. Nur gut dass es den Besuchern erlaubt war ungeöffnete Tetrapaks bis zu einem Liter mit auf das Gelände zu nehmen, sonst hätten die 30 Cent extra pro Becher sicher weh getan.

 Ready to go!

Als das Programm gegen kurz vor Elf in den Startlöchern stand, befanden sich noch  erstaunlich wenige Besucher vor der Bühne. Ein Großteil der Anwesenden hatte sich erstmal in der Einkaufsmeile zuwandt und suchte zwischen Krim und Krams nach ein paar netten Accessoires oder einer passenden Garderobe für die anstehende Hallensaison . Vor der Hauptbühne, wo "The LoveCrave" in wenigen Minuten das Festival eröffnen sollten, sammelten sich bislang nur ein paar hartgesottenen Tifosi und einige Frühaufsteher denen es im Zelt zu kalt geworden war. Dies sollte sich mit erscheinen der Band jedoch schnell ändern.

 The LoveCrave

Die aus Mailand stammenden Goth-Rocker "The LoveCrave" entpuppten sich entgegen aller Befürchtungen als DER Geheimtip des M´era Luna 2007. Nachdem die Italiener um Sängerin Francesca Chiara Casellati (klingt gut, nicht?) heuer bereits auf dem Wave Gotik Treffen in Leipzig zu sehen waren, schickt sich das Quartett derzeit mit ihrem 2006 erschienenen Debutalbum "The angel and the rain" an die Szene hierzulande im Sturm zu erobern. In jedem Fall  konnten sie mit ihrem eingängigen Gothic-Rock bereits die einschlägigen Szene Gazetten für sich begeistern, die im letzten Jahr mit  "Newcomer des Monats"-Lorbeeren nur so um sich warfen.

Hier auf dem M´era Luna mussten sich „The LoveCrave“ hingegen erst beweisen, was aufgrund der frühen Uhrzeit und der mickrigen 20minütigen Stagetime einem musikalischen Himmelfahrtskommando gleich kam. Umso erstaunlicher war es zu erleben, wie die Band mit ihrer Spielfreude und einer sympathischen Natürlichkeit ihr Startkapital von gut und gerne 1000 neugierigen Besuchern nach und nach verdoppelten und bei vielen die Neugierde in Begeisterung verwandelten. In Anbetracht dessen, dass es mit Ausnahme Lacuna Coils nicht allzu viele italieni-
sche Szenebands gibt, die es bei uns zu etwas gebracht haben, bewiesen "The LoveCrave" mit ihrem Debüt ein starkes Gespür für eingängiges Songwriting, ohne dabei künstlich aktuellen Trends nachzulaufen. Man merkt es einer Band eben an, ob sie gezeugt wurde, um sich zu verkaufen oder ob hinter dem was die Musiker tun Herzblut steckt.

Angefangen mit den kernigen Rocker "My Soul" und "Nobody" bewies das Quartett, bestehend aus Tank Palamara (Gitarre), Simon Dredo (Bass), Drummer Polipo und eben jener Francesca Chiara am Gesang, jede Menge Herz und servierte dem M´era Luna bodenständigen Gothic-Rock mit einer Portion italienischen Temperaments und setzte damit einen überzeugenden Startschuss für das M´era Luna 2007. Zudem lieferten „The LoveCrave“ für mich mit dem Killersong "Can you hear me" die offizielle Festivalhymne des M´era Luna ab. Ein Song, der die Stimmungen und die Atmosphäre aus 8 Jahren M´era Luna in 5 nur Minuten auf den Punkt brachte. Unglaublich!

Darüber hinaus überzeugten The LoveCrave durch ihre ehrliche Art und der gesunden Einstellung ihren musikalischen Klappsitz mit sportlichem Ehrgeiz zu begegnen. Energiebündel Francesca Chiara gab alles was drin war und überzeugte neben ihrer markanten Stimme auch durch Smalltalk mit dem Publikum, wie den augenzwinkernden Bezügen zwischen dem gestrigen Wetter und "The angel and the rain".

Leider folgte mit "Little Suicide" bereits der letzte reguläre Song, der das Publikum hungriger hinterließ als es anfangs erschienen war, was in dem spitzbübischen Versuch gipfelte, die Spielzeit noch ein wenig zu verlängern. Man kann´s ja mal versuchen!

Obwohl „The LoveCrave“ es als Opener bockschwer hatten zu bestehen, lösten sie ihre Aufgabe mit Bravour und empfahlen sich mit ihrem Auftritt für höhere Aufgaben. Es würde mich schon sehr wundern, wenn wir die Italiener zum letzten Mal in Hildesheim gesehen hätten und wenn sie zurückkehren, dann in jedem Fall an deutlich besserer Position. Dessen kann man sich sicher sein!

Mission Accomplished! Prädikat: wertvoll!

 Pesticide

Vom Engel und dem Regen begab ich mich anschließend direkt in die Traufe. Pesticide aus Kiel hatten es sich als erste auf der Hangarbühne bequem gemacht um den von Viren befallenen Programmslot der angeblich so schwer krankheitsgeplagten Finnen "Bloodpit" mit feistem Metalbrett keimfrei zu schrubben. In wilder Maskerade und den Ganzkörperkondomen einer antibakteriellen Putzkolonne stiefelten die Herren nun gute 25 Minuten ums Karrée und mühten sich dem reichlich übersichtlichen Publikum die Flötentöne beizubringen.

Im Gegensatz zu den strammen Hörproben auf der Homepage, wusste der Auftritt jedoch nur bedingt zu überzeugen. Mit robuster Härte und Anleihen aus der Abteilung Slipknot, Korn und Konsorten, hätten Herren auf einem Metal Festival sicher gute Chancen auf einen Abräumer gehabt. Auf dem M´era Luna, wo 9 von 10 Besuchern beim Genuss eines Fisherman´s Friend ohnmächtig von der Reling kippen, gestaltete sich die steife Brise aus dem Norden schon als ein wenig Grenzwertig. Ähnlich wie die irischen Industrialschroter Lluther vor einem Jahr, sahen sich Pesticide einer wenig passenden Zielgruppe gegenüber gestellt, mit der Aufgabe das beste aus der Situation machen zu müssen. Dabei ließen Pesticide trotz ihrer auffälligen Bühnengarderobe und der finsteren Kriegsbemalung das entscheidende Quäntchen Genialität und Verrücktheit vermissen, mit denen es beispielsweise
einer Sonic Freakshow wie "Limbogott" vor zwei Jahren gelang das Publikum für sich zu gewinnen.

Nun mag es für eine größtenteils unbekannte Band kein Leichtes sein, sich innerhalb einer Woche auf einen solch wichtigen Auftritt vorzubereiten aber das war hier auch nicht das Problem. Die Band konnte nichts dafür, dass der Veranstalter sich keine passende Reserve in der Hinterhand gehalten hatte und stattdessen versuchte finnischen Kuschelrock durch einen deutschen Holzhammer zu ersetzen. Die einzigen die am Ende von diesem Tohuvabohu profitierten, waren Down Below, die dadurch zu einer längeren Spielzeit kamen. Pesticide hingegen wirkten mehr wie eine Randerscheinung, an die sich in einigen Wochen wohl nur noch wenige erinnern werden.

 Lola Angst

Zurück an der Hauptbühne, luden als nächstes die Berliner Schrullerknaben, besser bekannt als Goldmann und Schirner, zum fröhlichen Pfützenspringen mit Gummistiefeln und Friesennerz. Zumindest hatte sich rund um die Kabelkanäle Richtung FOH ein hübscher See gebildet, der sich bestens als Schauplatz für ein kühles Löschwasserballet eignete. Onstage beschworen die Akteure allerdings ein gänzlich anderes Element. Hatte das dynamische Duo auf dem letztjährigen WGT noch wie eine Bande Pennäler gegen die örtliche Feuerwehr geplärrt, nachdem diese ihrer Höllenorgel Lola kurzerhand den Gashahn abklemmt hatte, durften "zärtlichen Chaoten" heute mit bis zu 4 Meter hohen Flammen (fast) nach Herzenslust das Bühnendach ankokeln.und so ihren flammenden Vortrag nachdrücklich unterstreichen.

Bevor jedoch der erste Ton gespielt wurde, zog sich der Umbau noch einen Moment hin. Dies nutzte Goldmann nun, um den aus Zuschauersicht rechten Boxenturm zu besteigen und von dort aus mit baumelnden Haxen auf den Startschuss zu warten, während ein schwarzer Strohhut sein Haupt zierte und ein überdimensionaler Mercedesstern um seinen Hals provokant auf die Prollodrüse drückten.

Wer schonmal die Webseite oder das Lola Angst-Myspaceprofil unter die Lupe genommen hat, weiß dass dies erst der Anfang einer reihe Verrücktheiten war, die die Berliner mit ihrer Show auf Lager haben. Vor allem wird er oder sie bemerkt haben, dass sich bei Lola Angst einige Uhren anders drehen als bei herkömmlichen Bands. So existieren unter anderem 10 alternative „Gebote“ mit „Benimmregeln für ein Lola Angst Konzert“. Darin enthalten findet man so interessante Punkte, wie: "TOMATEN UND EIER SIND IN BEIDE RICHTUNGEN ERWÜNSCHT", oder, "BELEIDIGUNGEN AUS DER RICHTUNG BÜHNE SIND ERLAUBT ABER AUCH RÜCKBELEIDIGUNGEN RICHTUNG BÜHNE SIND ERLAUBT". Und so machten die beiden von ihren selbst aufgestellten Regeln von Beginn an ausgiebig Gebrauch.

Ex-Blind Passenger Rainer Schirner hatte seinen Platz noch nicht ganz eingenommen, da "munterte" er das Volk auch schon mit der ersten spitzen Bemerkung auf. "Seid ihr schon nass im Schritt?", spielte er auf das feuchte Nachtlager der Fans an, gefolgt von prolligen "Bier her, Bier her" Sprechchören in Richtung seines Tourmanager Hautamakki, der sich für die Tatsache nur ein einziges Bier gebracht zu haben gleich den nächsten Rüffel abholte. Für jemanden, der noch nie etwas von Lola Angst gehört hat, mag dieses rüpelhafte Benehmen befremdlich wirken. Verstand man jedoch, dass das alles zur Show gehörte, war der Mittag gerettet.

Als Opener des Konzerts fungierte "Just Slaves" vom frisch erschienenen Album „Schwarzwald“, Begleitet von den Ballerinas Cristina Voce und Anastasja Yakymenko, die heute, wie die ehemals schneeweiße Lola, in Pechschwarz erschienen und von Zeit zu Zeit im Zehenschritt über die Bühne schwebten.

Wem das noch nicht schräg genug war, der musste nur ein wenig warten und wurde von Goldmann und Schirner bestens bedient. Flaschenköpfen mit Äxten, Schimpftiraden auf das Publikum ("Ey, Ihr Wichser") und Songs über sexuelle Dreifaltigkeit zwischen Männlein, Tier und Weiblein vermochten nur anzudeuten was sonst noch in den Köpfen der beiden so alles herum spukt. Das Publikum hingegen zeigte sich halb schockiert, halb amüsiert ob der Anzahl der dargebotenen No-Go´s, blieb jedoch dank tanzbarer Songs, wie "Dark DJ", "Dead Man´s Song" und „Final War“ (Goldmann: "Wir sind And One und mein Name ist Steve Naghavi!") weitestgehend Spaß bei der Stange. Nur hin und wieder beobachtete man dann doch jemanden wie er kopfschüttelnd von dannen zog und vermutlich seinem Zeltnachbarn davon berichtete, was für Bekloppte sie heutzutage auf eine Bühne lassen.

Auch wenn Lola Angst es dem Publikum nicht gerade leicht machten, legten sie doch einen flotte Sohle aufs Parkett, die zumindest in Punkto Eigenwilligkeit alle Grenzen sprengte. Wo sonst trifft man schon mal auf eine elektronisch modulierte, Feuer speiende Kirchenorgel die von zwei Knallköppen gespielt wird, während Ballerinas um sie herum tanzen? In diesem Sinne "Horns up! und „Bier her! Bier her oder ich fall um!" Nächster Halt, Wacken 2008, als Alternative zu Mambo Kurt! ;)

 Down Below

Wie schon weiter oben beschrieben kamen die Jungs von
Down Below heute in den Genuss des Platzes an der Sonne, wurde ihnen mit der Absage von Bloodpit doch die Ehre eines weiteren Songs im Set zuteil. Leider schafften es die ehemaligen Pharaonenrocker, denen man neuerdings mit etwas bösem Willen auch den Stempel einer Dark-Boygroup aufdrücken könnte, nicht den Funken ausreichen überspringen zu lassen
und ihrem gegenwärtigen Hype seitens Universal Music und
den angeschlossen Funkhäusern gerecht zu werden.

Im Einheitsgrau des Hangars, noch dazu mit einem extrem bescheidenen Sound bedacht, wirkte die Show wenig engagiert und bisweilen regelrecht lustlos. Trotz vorhandener musikalischer Parallelen zu „The LoveCrave“ fehlte im direkten Vergleich das Feuer, welches bei den Italienern so lichterloh brannte. Glatt, platt und statisch versuchten Down Below dem noch immer recht Übersichtlichen Hangarpublikum beizukommen und "glänzten" obendrein auch noch mit einer selten geschmacklosen Garderobe, die mehr an verunglückte Taucheranzüge erinnerte, denn an ein Bühnenoutfit.

Damit das hier nicht falsch rüberkommt. Es geht mir nicht darum eine derzeit in aller Munde befindliche Band in den Schlund zu ziehen, doch wenn ich als Band die Gelegenheit bekomme mich auf einem Festival wie dem M´era Luna zu präsentieren, dann sind 100% volles Brett gefordert. Egal wie gut oder schlecht die Bedingungen sind. Das konnte ich bei diesem Auftritt beim besten willen nicht erkennen zumal ich sie von der letzten Orkus Festival Tour im Herbst 2006 noch deutlich hungriger in Erinnerung hatte, als sie gegen die Übermacht von Unheilig und Project Pitchfork als Underdogs bestehen mussten.

Nachdem schon der Amphi-Auftritt (ebenfalls durch technische Schwierigkeiten) von vielen als flau bezeichnet wurde, hätten Neo-Scope und seine Mannen heute alles klar machen können. Stattdessen ließen sie eine verkrampfte Dunkelpopshow mit nahezu allen Songs ihrer musikalischen Neuorientierung "Sinfony 23" vom Stapel, die selbst Unheilig Keyboarder Henning als musikalischer Gast nicht mehr dem Sumpf der Mittelmäßigkeit entreißen konnte. Wenn Ihr so weiter macht, Jungs, dann seid Ihr schneller wieder in der Versenkung verschwunden, als Ihr "Down Below" sagen könnt! Das garantiere ich Euch!

 Jesus on Extasy

Nach dieser Arschbombe des Wochenendes zog es mich für einen Moment zurück ins Freie (Luft schnappen), wo ich aus der Entfernung den letzten Zügen des Jesus on Extasy Auftrittes beiwohnte, einer Band, die mir angesichts ihrer überheblichen Selbstbeweihräucherung als "The Future of Industrial-Rock" schon seit längerem sauer aufstößt. Wer Bands wie KMFDM, Ministry und Die Krupps kennt und liebt, muss bei Jesus On Extasy zwangsläufig ratlos mit den Achseln zucken, wenn sich Dorian Devereaux und Co. mit dünnem Gesang, eierlosen Sounds und androgynen Glamrocktuntereien eine seltsam labbrige Computerramschmischpoke zusammenquirlen, die als Jesus McExtasy in keinem Schnellrestaurant der Welt groß auffallen würde.

Doch das Jungvolk tickt da offenbar anders. Abermals mit zahllosen Werbeballons zur Willigkeit verführt, hatte sich eine nicht unerhebliche Schar Besucher vor der Hauptbühne eingefunden, um sich vom aufgeputschten Gottessohn eine Lektion in Sachen Industrial erteilen zu lassen. Angesichts des gerade erlebten und der beiden gelungenen letzten Stücke "Assassinate me" und "Neochrome" keimte dann auch bei mir einen Funken Hoffnung, dass Jesus On Extasy zumindest über Potential verfügen, welches sie vielleicht in Zukunft noch entfesseln könnten. Was Dorians Gesang betrifft bleibe ich jedoch dabei. Er bringt die Nummern dünn wie eine eierlose Dirne! Ohne Druck ohne Power. Das muss besser werden! Dann klappts auch mit dem Ritter!

 Fair to Midland

Ja servus und willkommen im Exotenstad´l auf dem M´era Luna, mit den lustigen Musikanten der progressiven Rockkapelle „Fair to Midland“, welche sich heute mit einem ungewohnt stillen Publikum konfrontiert sah. Musikalisch zum M´era Luna passend, wie Blondinen zu Boris Becker, fielen Fair to Midland eindeutig aus dem Beuteschema des Publikums. Doch anstatt zu Hause mit J.R. ums Ölfeld zu hopsen, zog es das Quintett aus Dallas, Texas vor, sich against all odds auf der Hangarbühne amtlich zu zerreißen. Nur wofür?

Noch kurz vor Auftrittsbeginn konnte es einem als langjährigem M´era Luna Besucher schon die Tränen in die Augenwinkel treiben. Wo sonst tausende Schwarzkittel dicht an dicht zur Bühne drängten, wartete, ungelogen, keine 70 Fans im Hangar auf den Beginn der Show. Und daran sollte sich auch nichts Kriegsentscheidendes mehr ändern. Gerade mal 150 bis 200 Zuschauer versammelten sich nach und nach vor der Bühne, während die Texaner sich die Seele aus dem Leib rockten und die vermutlich abgefahrenste Performance seit Erfindung des Schleudertraumas ablieferten.

In halsbrecherischem Tempo flogen Gitarrist Cliff Campbell (gut zu erkennen an seinem altachtundsechziger Wollybob) und Sänger Darroh Sudderth über die Bühne, bei dem Versuch, sich wie von Sinnen durch möglichst hektische Reiß- und Zappelbewegungen selbst zu vierteilen. Obwohl ihnen letzteres am Ende nicht gelang, bekamen die wenigen Besucher eine astreine Show geboten, während sie obendrein auch eines der musikalisch besten Konzerte des Wochenendes erleben durften.

Trotz des nach wie vor bescheidenen Sounds im „Beck´s-Dosenhangar“, sorgte der progressive Metal des Quintetts mit seinen folkigen Einflüssen im stetigen Wechsel zwischen brettharten Riffs und zündenden Hooks für Abwechslung zum gewohnten Einheitsschritt, während Sänger Darroh das Letzte aus seinen Stimmbändern heraus presste. Um die Nummer nicht noch unnötig zu verkomplizieren, beschränkten sich die Texaner bei der Auswahl der Songs auf ihr kürzlich veröffentlichtes Studioalbum, mit dem einprägsamen Titel "Fables from a mayfly; what I tell you three times is true".

Angefangen beim Opener "Walls of Jericho", füllten Fair to Midland mit "Kyla cries cologne", "Tall tales taste like sour grapes", "April fools an eggmen" (Aprilscherze und Eiermänner - was für ein Titel! ;) ), "A seafarer´s knot" oder der Radioauskopplung "Dance of the manatee", zu der es auf der Myspace Page der Band auch ein eigene Video gibt, das Set mit progressiver Härte und ließen Vergleiche zu Bands wie Katatonia oder System of A Down zu.

Was auf dem Rock am Ring sicher super funktioniert hätte, tat sich auf dem M´era Luna ünnötig schwer. Nur die wenigen denen es gelang auch mal über den Ureigenen Bannkreis aus Blute(n)geln und Kombiteufeln zu blicken, konnte mit diesem Auftritt seinen Spaß haben. Jene blieben jedoch absolut in der Minderheit. Zum Glück kratzte das die Musiker auf der Bühne wenig. Sie zogen Ihr Programm professionell durch und waren sich dessen bewusst dass die Wenigen die ihretwegen hier waren nichts dafür konnten, dass sie nur so wenige waren. Und so ließ es sich Darroh Sudderth am Ende nicht nehmen seinem Landsmann Rogue von den Crüxshadows zuvorzukommen und mit einem waghalsigen Stunt die
                                                           Bühnentraverse zu erklettern.

 Pain

Während auf der Hauptbühne das schwedische Steckdosen-
kombinat Necro Facility für ein wenig Elektrobums unter freiem Himmel sorgte, hätten im Hangar nun eigentlich ihre norwegi-
schen Nachbarn von Animal Alpha an der Reihe sein müssen. Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Stattdessen setzte die Knäckebrotmafia mit den Electrometallern "Pain" zum zweiten Schlag auf das M´era Luna an. Aber war passiert? Nach ersten Gerüchten war durchgesickert, dass Animal Alpha unterwegs im Stau steckten und mit „Pain“ die Plätze tauschten. Nur wie das
mit Gerüchten immer so ist: hinter Ihnen verbirgt sich oft nur die halbe Wahrheit. Wie sich später herausstellte hatten die Norweger dank einer falschen Eingabe im Navigationsgerät
ihre Anreise komplett vergeigt und geisterten nun irgendwo in Thüringischen auf der Verzweifelten Suche nach dem Festivalgelände herum. So lustig das im ersten Moment klingen mag, sollte sie dieser peinliche Fauxpax ihren Auftritt kosten, was im Laufe des späteren Nachmittags auch über die PA der Hauptbühne und im Hangar offiziell verkündet wurde.

Pain hingegen hatten die Bedienungsanleitung ihres Navis aufmerksam gelesen, obwohl sich der Bürgermeister von Pärlby, besser bekannt als Peter Tägtgren, nach zahlreichen Schlachten mit seiner Hauptband Hypocrisy mittlerweile auch ohne elektronische Hilfsmittel in Deutschland zurecht findet. Zwar gehörten auch Pain zu den diesjährigen M´era Luna Debütanten, was sie aber nicht daran hinderte trotzdem frühzeitig am Festivalgelände zu erscheinen und nun dem angeschossenen Timetable aus der Patsche zu helfen.

Ihren Gig kurzerhand um eine gute Stunde vorverlegt, ließen sich Pain die unvorhergesehene Hektik nicht weiter anmerken und schickten sich an ihre weinroten Earshotaufsteller mit wuchtigem Electrometal zu untermauern. Dabei musste man kein Prophet sein um die musikalische Herkunft Peter Tägtgrens und seiner Mannen zu erkennen: Wie ein Orkan fegte der kurze Klare aus dem Norden über das M´era Luna hinweg und versetzte die Meute in helle Aufregung. Los ging es dabei mit "Same old song" als Aufwärmer, gefolgt von dem Dampfhammer des aktuellen Albums, "Zombie slam", und "Psalms of extinction". Ohne Rücksicht auf Verluste machten Pain mit einem musikalischen Ritt auf Rasierklinge kurzen Prozess mit allem was ihnen vor die Flinte kam, zwischen verhaltenem Pop-Appeal und messerscharfen Riffattacken, denen weder das Publikum, noch die heillos überforderte Akustik des Hangars etwas entgegen setzen konnten. Während in den ersten Reihen zum Veitstanz in der Moshpit aufgerufen wurde, rumste und schepperte es an allen Ecken und Enden der "Blechscheune" derart übel, dass ich zum ersten Mal ernsthaft über Gehörschutz nachdachte. Normal war das nicht!

Trotz der abnormalen Akustik hielten Mr. T. und seine Mannen die Menge fest im Griff und bestätigten, dass ihr heutiger Auftritt auf dem M´era Luna längst überfällig gewesen war. Stücke wie "Nailed to the ground", "Dancing with the dead", das Beatles Cover "Eleanor rigby" oder das einpeitschende "Bitch" hielten den Kessel unter Druck und sorgten für den ersten anständigen Schweißtreiber des M´era Luna 2007.

 Client

Auf der Hauptbühne ging das „Bäumchen Wechsel Dich“ im Zeitplan munter weiter. Wo eigentlich Tom Shear mit seinem Elektroprojekt „Assemblage 23“ hätte spielen sollen, schickten sich nun drei streng uniformierte Damen von der Teeinsel an, die überdimensionale Open Air-Bühne zu betreten. Offenbar suchte auch Mr. Shear noch den Weg zum Festivalgelände und so hing es nun an Client A, Client B und der neu hinzu gestoßenen „Client M“ den M´era Luna Fans mit ihrem lasziv vorgetragenen Synthi-Pop ein wenig Warm ums Herz werden zu lassen. Unterstützt wurde das Trio dabei von niemand geringerem als DAF-Altmeister Robert Görl an den Drums, der als Überraschungsgast die Show mit seinem Spiel adelte.

Doch Client sollten es heute schwer haben. Ihr altmodisch steifer Synthipop wirkte im Tageslicht schlicht und ergreifend deplatziert, woran auch die permanenten Versuche mit knackengen Kostümen, High-Heels, sexy Hüftschwüngen und stramm gezogenen Mikroschnüren für „strikte“ Abwechslung zu sorgen, konnten nur einen Moment lang davon ablenken, dass die ganze Chose nach 10 Minuten nur noch spröde und bieder anmutete. Very British, sozusagen. Da konnte Client B, alias Sarah Blackwood, noch so riemig dreinschauen. Gegen das Blau des aufbrechenden Firmaments kam sie einfach nicht an.

Es ist mittlerweile schon bezeichnend für die Szene dass man als Veranstalter aufgrund des hohen Interesses an bestimmten Bands dazu gezwungen wird einen typischen Clubact, wie Client, auf der Open Air Bühne den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Im Hangar hätten die Damen trotz des geringeren Fassungsvermögens sicher mehr bewirken können. Zwar spielten Client nicht zur falschen Zeit aber definitiv auf der falschen Bühne.

Trotz der dürftigen Umstände zogen Client ihr Programm professionell durch und mühten sich mit flotteren Nummern, der Marke "Drive", "Down to the underground" und "Lights go out" um scharfe Mine zum lauen Spiel. Letztlich änderte es aber wenig daran, dass der Gig über weite Strecken vor sich hinplätscherte und ihn nur die Beteiligung eines alten Haudegens wie Robert Görl vor der völligen Belanglosigkeit rettete.

 ASSEMBLAGE 23

Besser spät als nie erreichte anschließend Tom Shear die Festivalbühne in Hildesheim und hatte damit zumindest den verschollenen Animal Alpha schonmal was voraus. Dennoch stand auch die Show des Mannes aus Seattle nicht unter dem besten Stern:

Als einziger Vertreter seiner eigenen Delegation musste sich Shear heute mit zwei Ersatzkeyboardern begnügen, da seine Stammbesetzung aus Kostengründen daheim bleiben musste (soviel zu Thema "Reich und berühmt in der Musikbranche"!). Wenigsten musste das M´era Luna Publikum als Ersatz für die daheim gebliebenen Paul Seegers und Kevin Choby nicht auch noch mit 2 Pappkameraden oder einer One Man Show vorlieb nehmen, was zugegebenermaßen auf der großen Bühne wohl etwas albern ausgesehen hätte.

Stattdessen erschienen mit Haujobb-Daniel Myer (a.k.a. "The old f*** that used to be good" ;) ) und Faderheads Dr. T. nun zwei bekannte Gesichter hinter den beiden, unmittelbar in Bühnenmitte postierten Pulten, während „Onkel Tom“ aus dem Off in Richtung Mikro gestiefelt kam und vor den beiden in Stellung ging.

So gerne ich nach nun etwas erbauliches über den Auftritt berichten würde, umso trauriger stimmt es mich, dass auch Assemblage 23 sich nicht für eine Open Air Bühne eignen. Trotz einer nicht zu verleugnenden musikalischen Verwandtschaft zum irisch-britischen Dreamteam VNV Nation und der markanten Stimme Tom Shears, die er bei einigen sehr respektablen Floorfillern, wie dem Opener "Binary", "Madman´s Dream", "Let the wind erase me" oder dem abschließenden "Decades" einsetzte, fehlte dem Auftritt das gewisse Etwas, die Initialzündung, der Funke der das Pulverfass zur Explosion bringt.

So besitzt Tom Shear zwar das Gespür für tanzbare Elektrohymnen, ein Entertainer vom Schlage eines Ronan Harris, der sein Publikum an die Hand nimmt und es bis zum Ende spazieren führt, ist er jedoch ganz sicher nicht. Im Gegenteil! Volle zwei Songs stand er wie angewurzelt in der Bühnenmitte und
hielt sich an seinem Stativ fest. Erst beim dritten Stück fasste er sich ein Herz
und wagte überhaupt mal eine Expedition in unentdeckte Welten, Sekunden
bevor ich ihm den Titel als "Peter Heppner des Futurepop" verpassen wollte.

Obwohl der Auftritt insgesamt nicht sooo schlecht war, tanzten Assemblage 23, ebenso wie Client, eindeutig auf der falschen Baustelle. Shears zaghafte Bemühung auf der Bühne mal ein bisschen für Action zu sorgen verpufften zumeist wirkungslos und konnten erst recht nicht die im Tageslicht verlorene Atmosphäre kompensieren. Was blieb war ein lauwarmer Tanztee, der wohl nur eingefleischten Fans uneingeschränkte Glücksgefühle beschert haben dürfte.

 Covenant

Während parallel im Hangar gerade die Dudelsäcke von Cultus Ferox ihre Chanter schwangen, schlug auf Hauptbühne die Stunde für eine Band, die mit sonnenresistenten Massenparties bereits Erfahrung hat: Covenant!

Die schwedischen Elektrokönige mit Hang zu tanzbaren Soundexperimenten hatten ja bereits das Vergnügen gehabt im sengenden Backofen des Jahrhundertsommers 2004 bei grob veranschlagten 40 Grad im Schatten dem M´era Luna auf die Sprünge zu helfen. Das Resultat war damals beeindruckend: vom Wellenbrecher bis zum FOH tobte die Menge, als hätten wir´s mitten Winter gehabt, wo einem jede Gelegenheit recht kam sich mit Bewegung warm zu halten.

Von winterlichen Temperaturen waren wir damals wie auch heute jedoch meilenweit entfernt. Stattdessen hatte sich Petrus nun auf die Seite der Sonnenanbeter geschlagen und verwöhnte das M´era Luna mit 25 Grad und prallem Sonnenschein. Und genau das erbrachte nun den Unterschied, die Wende auf dem Spaßbarometer:

Dass man mit Covenant an guten Tagen Pferde stehlen kann ist bereits hinlänglich bekannt. Doch was die Schweden im Vergleich zu ihren Vorgängern mit dem Publikum anstellten, spielte in einer eigenen Liga. Da wehte aber ein ganz anderer Wind von der Bühne! Vor allem Eskil, als singender Humphrey Bogart-Verschnitt in weißem Anzug und Schlapphut, hatte einen Heidenspaß an der Sache. Strahlend und leichtfüßig wie selten tänzelte und hüpfte der Schwede über die Bühne und stellte seine Qualitäten als mobiler Entertainer unter Beweis, indem er ohne viel Tamtam mit dem kleinen aber bestimmenden Gesten das Publikum immer weiter aus der Reserve lockte.

Mit dem beliebten Opener "Like tears in the Rain", M´era Luna-gerecht als deutschsprachige Leiermannvariante, der chilligen Synthihymne "Bullet", dem Electrostampfer "20hz" und der Hitsingle "Ritual Noise" legten Covenant eine kesse Sohle aufs Parkett, der man sich nur schwer entziehen konnte. Und sei es nur, dass Lieschen Müller in Reihe 82 rhythmisch mit den Zehen wippte. Da ging was!

Personell betrachtet mussten allerdings auch Covenant auf einen Teil ihrer Stammbesetzung verzichten. Während Joakim Montelius wie immer lässig mit Sonnenbrille und Kopfhörern hinter den Maschinen agierte und von Zeit zu Zeit Eskil mit elektronisch modulierten Backingvocals unterstützte, fehlte zur Bühnenrechten der derzeit pausierende Clas Nachmanson. Um nun nicht vollends als Duo dazustehen, waren Covenant aber, pfiffig wie sie sind, mit der Zeit gegangen und hatten sich bei der Zeitarbeit einen passenden Ersatz besorgt. Und dreimal dürft ihr raten, wer das gewesen sein könnte: Genau! Daniel Myer! Der erste Musiker der M´era Luna Geschichte mit zwei kompletten Show am Stück. Das war Rekord!!!

Nur dass er nun neben dem Keyboard auch noch zwei Trommeln zur Seite gestellt bekommen hatte, an denen er schon nebenbei für "Ritual Noise" sorgte. Ein interessanter neuer Aspekt in der Covenant Show, den die Schweden in Zukunft vielleicht sogar ausbauen sollten.

Eine faustdicke Überraschung im Set wartete mit "Invisible and silent" auf die Fans. Es gehört schon ein Extraportion Sockenschuss dazu, mitten im Sommer eine gefühlte Weihnachtsnummer zu bringen. Doch der Funke sprang tatsächlichüber, auch ohne Tannenbäume! Zumal sich das Volk nach dem schweißtreibenden Tanzritual der letzten Minuten eine kleine Verschnaufpause verdient hatten, bevor "The men", "We stand alone" und das abschließende "Call the ships to port" erneut angriffen.

Nach einigen weniger spektakulären Auftritten an der Hauptbühne es schafften Covenant das M´era Luna seiner Siestalethargie zu entreißen und den Festivalspirit auf das Gelände zurückkehren zu lassen. Sympathisch, locker, cool und  spielfreudig bewiesen die Schweden, dass auch Electrobands bei Tage bestehen können, wenn sie die Kunst beherrschen das Publikum zu mobilisieren! Und das gelang Covenant allemal!

 Nosferatu

Als nächste lockten mich anschließend die britischen Gothrocker Nosferatu zu einem kurzen Abstecher in den Hangar. Was vielen vermutlich gar nicht so bewusst ist, die 1988 formierte Band um Mitbegründer Damien DeVille (Gitarre) gehört mit über 100.000 verkauften Platten zu den erfolgreichsten Acts in ihrem Genre und veröffentlichte seit Anfang der 90´er bereits 10 Alben, mit denen sie vor allem in ihrer Heimat Großbritannien große Erfolge feierten und auch in Deutschland längst nicht nur Insidern ein Begriff sind.

Zwar erschien eine Band wie Nosferatu, deren Sound sich stark an den 80er Jahren orientiert, unter all den "jungen Wilden" auf den ersten Blick etwas altmodisch, doch musikalisch konnten die Briten durchaus überzeugen. Ihr Songwriting mochte vielleicht der alten Schule entspringen, aber diese Schule hatte sich weiterentwickelt und bestach mit eingängigen Melodien, singenden Gitarrensoli und interessanten Arrangements, die ein wenig frischen Wind sorgten.

Um das Publikum nicht zu verschrecken, eröffneten Nosferatu ihr Set mit dem einsteigerfreundlichen "Witching Hour", einem ihrem bekanntesten Songs, der es auch auf den offiziellen Festivalsampler geschafft hatte. Ganz behutsam führten sie damit auch das des jüngeren Publikums an ihren Sound heran, bevor sie mit "Darkness brings" und "Wicca man" tiefer in den Nosferatu-Klangkosmos vordrangen.

Während sich Sänger Louis DeWray trotz des neu erlassenen Rauchverbots vor versammelter Mannschaft eine ansteckte (tolles Vorbild!), verkündete er die schlechte Nachricht des Tages: "Weiß jemand von Euch noch wer Tony Wilson ist?" Fragte er ins Publikum und erhielt nur spärlich Antwort. "Tony Wilson ist der Entdecker von Joy Division und wie wir auf dem Weg hierher erfahren mussten ist er gestern Abend gestorben". An der überschaubaren Anzahl betretener Gesichter war abzulesen, dass der Name Joy Division zwar den meisten ein Begriff zu sein schien, der Name Tony Wilson hingegen weniger. Fakt ist jedoch, dass Joy Division gerade auf der Insel einen unglaublichen Einfluss auf die Bands des alternativen Lagers hatten und sich auch heute noch Bands aus der Gothicszene an ihnen orientieren, was ohne Tony Wilson vermutlich nie geschehen wäre. Hier auf dem M´era Luna sollte dem Thema damit jedoch genüge getan sein, zumal sich, wie beschrieben, die Andacht in Grenzen hielt. Daher wendeten sich Nosferatu nun wieder musikalischen Dingen zu und trugen neben bereits bekannten Stücken ihres Repertoires, auch ein paar neue Nummern ihres im Herbst erscheinenden 11. Studioalbums zu Gehör, während mich bereits wieder der Ruf der Hauptbühne ereilte.

Abschließend bleibt zu sagen, dass Nosferatu, was ich so von Ihnen mitbekam, hier einen guten Job machten, der vor allem Besuchern älteren Semesters gut gefallen haben dürfte. Fans des klassischen Goth-Rocks wurden hier bestens bedient. Kurios wirkten hingegen die unfreiwilligen Double-Qualitäten der Musiker. Ich weiß nicht ob es außer mir jemandem aufgefallen ist, aber die Ähnlichkeit zwischen Sänger Louis DeWray und dem jungen Bela B. Felsenheimer der frühen 80´er war schon verblüffend. Bassist Six´ gab seinerseits den Garth Elgar und Damien DeVille als vornehm bleich geschminkter Landlord hätte problemlos als Commander Data auf der Enterprise anheuern können. Schaut mal genau hin ;)

 Dir En Grey

"Jetzt wirds wild!" schoss es mir durch den Kopf, als ich aus
dem Hangar in Richtung Hauptbühne marschierte. Dir En Grey, japanische Kampfzwerge mit dem musikalischen Charme einer Zahnwurzelbehandlung. Wollte ich mir das wirklich antun? Und ob ich wollte! Die Praxisgebühr für das laufende Quartal hatte ich ja bereits bezahlt, also warum nicht? Immerhin dürfte es interessant werden zu sehen, wie das M´era Luna Publikum auf die halsbrecherischen Asiaten reagieren würde, wenn sich schon in Wacken, wo die Leute wirklich einiges einstecken können, die Begeisterung in Grenzen hielt.

Nicht zu leugnen ist hingegen der Hype, der Momentan um Dir En Grey veranstaltet wird. Wo immer sich die Japaner ankündigen, werden in Rekordzeit 5000er Hallen ausverkauft und wenn man sich die ersten Reihen des heutigen Publikum genauer ansah, drängte sich einem der Eindruck auf als handele es sich bei Dir En Grey um die wahren "Tokyo Hotel". Bunt bemalte Transparente, japanische Flaggen und jede Menge junges Gemüse das nur darauf, dass die "Boygroup wider Willen", bestehend aus Drummer Shinya, den Gitarristen Karoku und Dai, Bassist Toshiya, und Sänger Nishimura Tooru alias Kyo endlich auf die Bühne trat, sprachen eine unmißverständliche Sprache.

Nach dem großen Gehörzellenmassaker von 2006, als Ministry mit musikalischer Gewalt die Harten von den Zarten trennten, sollte es nun also auch dieses Jahr wieder herzhaft krachen, allerdings unter verkehrten Vorzeichen:

Dir En Grey hatten noch nicht mal richtig begonnen ihr Arsenal zu verschießen, da schmolzen schon die ersten Teenieherzen dahin. Ob die wohl mitbekommen hatten, dass es sich bei Dir En Grey nicht um knuddlige Pokemons sondern um kreuzgefährliche Metalmonster handelte? Mich jedenfalls erinnerte das Szenario vor dem ersten Song unwillkürlich an eine dieser Geschichten wo das Liebe Großmütterchen zum bösen Wolf mutiert und Rotkäppchen am lebendigen Leib den Kopf abbeißt. Doch genau da lag wohl mein Denkfehler. Wo Papa Al vor einem Jahr das Jungvolk mit seinen Industrialkanonaden verscheuchte, waren es dieses Mal die Älteren, die hektisch ihre Lärmschutzhelme überstreiften und fluchtartig Deckung im nächstgelegenen Bombentrichter suchten, während Dir En Grey musikalisch damit begannen die Schlacht um Pearl Harbor nachzustellen.

Wer mit Slipknot etwas anfangen kann hat eine ungefähre Vorstellung davon wohin die Reise der Japaner in etwa ging. Doch wo die Gitarren schroteten und hektische Drums den Takt angaben, war es Sänger Kyo, der das Gemisch mit einer anstrengend psychopathischen Note zur Explosion brachte und das wüste Geholze zu einer unberechenbaren Kamikazenummer anreicherte. Wo sich seine Bandmitglieder in Punkto Action angenehm zurückhielten, kotzte sich der kleine Japaner über irgendetwas ganz fürchterlich aus, ohne dabei auch nur ein einzigen verständlichen Laut über die Lippen zu bringen. Obwohl einige der Songtexte durchaus in einer allgemein verständlichen Sprache, wie dem Englischen abgefasst sind, zeigte sich der geneigte Musikliebhaber ratlos. Oder um mal die Worte eines gebürtigen Engländers über Kyo´s „Gesang“ zu zitieren: "What language was he singing in? I didn´t understand a word!".

Eines war auf jeden Fall so klar wie das Amen in der Kirche: Mit Springteufel Kyo stand und fiel die Show. Auf der einen Seite sorgte der kleine Giftzwerg mit seiner galligen Art für jede Menge Wirbel, auf der anderen Seite schoss er damit für europäische Hörgewohnheiten meilenweit über das Ziel hinaus und sorgte mit seinen undefinierbaren Kreischattacken für ratloses Kopfschütteln unter den Besuchern.

In gewisser Weise faszinierte mich dieses Schauspiel: Da schrubben sich 4
nicht untalentierte Musiker, ein wildes Brett nach dem anderen von der Palme
und teilen damit die Menge wie Moses das Meer. Das mag zwar nicht unbedingt charakteristisch für ein gelungenes Konzert sein, war aber definitiv eine interessante Erfahrung!

Neutral betrachtet muss ich dennoch zugeben, dass sich mir der Hype um
Dir En Grey auf dem M´era Luna nicht wirklich erschloss. Scheinbar war es
den jubelnden Girls in Reihe eins vorbehalten zu ignorieren was gespielt wurde, solange nur geschmachtet werden durfte. Dennoch will ich nicht verschweigen, dass das wilde Keule-aus-dem-Sack-Gefetze der Japaner nach einer gewissen Gewöhnungsphase auf eine seltsame Art anfing Sinn zu machen. Ich bin mir zwar noch nicht ganz sicher welchen, aber sobald ich es habe, seid Ihr die ersten die es erfahren. Wer Dir En Grey jedoch unvorbereitet gegenüber trat oder auf nüchterne Ohren versuchte einen Zugang zu finden, dem erging es wie vielen anderen auf dem Gelände, der wurde von ihnen entweder überrannt oder gnadenlos niedergeknüppelt.

Wer sie verpasst hat und sich nachträglich noch ein eigenes Urteil über den Auftritt machen möchte, dem sei das aktuelle Album der Japaner "The Marrow Of A Bone" empfohlen. Hier findet sich der Löwenanteil des einstündigen Sets mit Songs wie "Repetition of Hatred", "Grief", "Ryoujoku no ame", dem Dampfhammer "Agitated Screams of Maggots", sowie der Ballade "Conceived Sorrow", welche pikanterweise am Anfang der Scheibe platziert wurde.

 Emilie Autumn

Vom fernen Osten katapultierte sich das M´era Luna anschließend nahtlos herüber in den Wilden Westen. Emilie Autumn hatte ihren Europaaufenthalt anlässlich des M´era Luna verlängert, um mit ihrem verrückten Stilmix aus Industrial, Darkwaveelementen, wildem Gegeige und dem „victorian way of life“ den Hangar in rotweissbunte Farben zu tauchen und dabei eine ihrer opulenten Bühnenshows abzuziehen. Ein guter Grund also, ein weiteres mal "rüberzumachen" und sich das Spektakel aus der Nähe anzuschauen.

Nachdem die Amerikanerin auf dem WGT ja noch bei einigen Fans durchgefallen war, da sie aus technischen Gründen auf ihre Geige verzichten musste, hatte sie vor wenigen Wochen auf dem Amphi Festival die Gelegenheit genutzt sämtliche Kritiker Lügen zu strafen und eine perfekte Show abgeliefert. So unterschiedlich die beiden Auftritte angenommen wurden, hatten sie doch beide etwas gemeinsam: das rege Interesse des Publikums! Spätestens seit Veröffentlichung ihres Albums "Opheliac" ist die zierliche Amerikanerin bekannt wie ein bunter Hund und durch ihren einzigartigen Look zu einer regelrechten Stilikone avanciert. Kein Wunder also, dass sich der hildesheimer Hangar bereits mit zahlreichen Fans und Neugierigen gefüllt hatte, die Fräulein Herbst bei der "Arbeit" auf die Finger schauen wollten.

Reglos von ihren Gouvernanten, den Bloody Crumpets, hinter das Keyboard getragen, erwachte die Protagonistin, die mit ihren roten Locken heute ein wenig an Tiffy aus der Sesamstraße erinnerte, Stück für Stück zum Leben. Wie in Trance schien sie die Tasten zu spielen auf dem Weg zurück ins Bewusstsein, während sich die Zeit im Hangar rückwärts zu bewegen schien und die Welt um sie herum zurück ins England des 19. Jahrhunderts versetzte.

Auch "Suffer“, der leidgeprüfte Stoffteddy, dem man ein Auge entrissen und ihn mit rosa Farbe besprüht hatte, war wieder mit von der Partie und ließ sich liebe-
voll von Mistress Lucina am Mikrostativ platzieren, während Lady Vecona, begleitet von Seifenblasen aus Richtung Publikum den Tee vorbereitete.

Wie schon bei der vergangenen Shows war es auch heute wieder unglaublich schwer all die liebevoll gestalteten Details zu entdecken, mit denen sowohl die herrlichen Kostüme als auch die Darstellung der einzelnen Figuren gespickt waren. Geballt prasselten die Eindrücke auf den Betrachter ein, sodass man sich eigentlich immer sicher sein konnte etwas zu versäumen, wenn Emilie mal wieder ihre Lady Aprella im Balletschritt über die Bühne scheuchte, Vecona den Tee eingoss oder Lucina mit aufgeregt großen Kulleraugen und zusammengezoge-
nem O-Mund das Geschehen in Stummfilmmanier kommentierte. Einfach knuffig!

Auch wenn es sich bis hierhin anders lesen mag, im Mittelpunkt des Geschehens stand natürlich weiterhin Emilie Autumn und die Songs ihres Albums "Opheliac", dessen Titeltrack den Abend eröffnete. Nachdem die vielseitig begabte Künstlerin bei diesem Song vorwiegend stimmlich gefordert war, galt es anschließende mit "Liar" die Fertigkeiten an der Geige zu demonstrieren, bevor bei "The art of suicide" dann wieder schauspielerische Talente gefragt waren. Beeindruckender als die Bandbreite der verschiedenen Disziplinen war eigentlich nur die Souveränität mit der Emilie in ihnen ablieferte. Vor allem ihre Fähigkeit sich in sekundenschnelle vom Schmusekätzchen zum reißenden Tiger zu verwandeln und von zuckersüßem Gesang auf wildes Gefauche umzuschalten verdient Respekt. Das kennen wir hierzulande
sonst nur von Nina Hagen.

Ähnlich, wenngleich nicht ganz so extrem wie bei Dir En Grey, konnten auch im Hangar nicht alle mit der extravaganten Show Emilie Autumns Schritt halten und traten mehr oder weniger geflasht den geordneten Rückzug an. Der überwiegende Teil des Publikums zeigte sich dafür fasziniert und enthusiastisch. Vor allem in den ersten, überwiegend weiblich besetzten Reihen, ließen sich die Fans von der eigenwillig farbenfrohen Show verzaubern lund folgten ihr mit gespannten Blicken. Sogar vereinzelte "Emilie I love you"-Rufe waren zu hören und es sei hinzugefügt, sie kamen nicht von Männern! ;)

Der weitere Verlauf des Konzerts setzte sich mit Stücken wie "Misery loves company", der Single "Dead is the new alive" oder dem traurig ironischen Abschluß "Thank god I´m pretty" fort, wobei zur Konzertmitte mit „Unlaced“ ein reines Instrumental den Weg in das Set fand und Teufelsgeigerin Emilie Bewies weshalb sie früher bei Courtney Love und Billy Corgan bedienstet war.

Kritisch beäugt müsste man natürlich nach wie vor den hohen Playbackanteil der Show bemängeln, da mit Ausnahme des Gesangs und der eingeflochtenen Geigenparts nahezu alles musikalische vom Band eingespielt wurde. Nur wäre der Gerechtigkeit damit nur zur Hälfte genüge getan. Die perfekt durchgestylete, fast musicalhafte Gestaltung der Show wog dieses Manko komplett auf und würde mit einer Band Onstage vermutlich so nie funktionieren. Anstatt, wie es viele tun, eine Band aus Fake-Keyboardern auf die Bühne zu stellen, setzte Emilie Autumn lieber auf sich und das kreative Eigenleben ihrer Bloody Crumpets und lag in ihrer Konsequenz damit beim überwiegenden Teil der Fans goldrichtig!

Somit bleibt nur zu empfehlen, sich Emilie Autumn einmal selbst anzusehen. Ihre Show kann man schlecht erzählen, man sollte sie mit eigenen Augen erlebt haben und sich selbst ein Urteil bilden. Auf dem M´era Luna hatte sich die Amerikanerin indes einmal mehr als Publikumsmagnet erwiesen und durfte sich mit ihrem gelungenen Auftritt verdient zu den Highlights des Festivals zählen.

 Schandmaul

Auf der Hauptbühne stand nun die M´era Luna Happy Hour auf dem Programm. Deutschlands derzeit massentauglichste Folkrocker, Schandmaul, hatten sich angekündigt, um mit einer 60minütigen Welle der guten Laune, selbst Karl Moiks Musikantenstadel wie ein Rentnerballet am Sonntagnachmittag erscheinen zu lassen und ein Prosit der Gemütlichkeit anzustimmen, mitten hinein in die tiefstehende Hildesheimer Sonne.

Auch wenn Schandmaul es für meinen Geschmack über die Jahre hinweg versäumt haben ihren Sound durch neue Facetten zu erweitern und ein wenig zu den AC/DC des Folkrock verkommen sind, so bleibt neidlos anzuerkennen, dass sie stets konsequent ihren Weg beschritten und ihr Ding mit Herz durchzogen. Vermutlich ist es gerade dieser Beständigkeit zu verdanken, dass Schandmaul von den großen Bands ihrer Genres den rasantesten Aufstieg hinter sich gebracht haben und nun, wie schon vor zwei Jahren, zur Primetime das "Samstagabendprogramm im Ersten" eröffneten.

Bei nach wie vor perfektem Festivalwetter starteten die Bajuvaren mit "Vor der Schlacht" die große Party vor der Hauptbühne. Volksmusik mal anders! Binnen kürzester Zeit zogen sie das Publikum mit Leib und Seele in ihren Bann und ließen die Puppen tanzen. Ob man die Musik mochte oder nicht spielte dabei eher eine untergeordnete Rolle. Einfach dabei sein, Spaß haben und sich mit der Menge treiben lassen lautete die Motto vom Wellenbrecher bis zur Anhöhe. Gute Laune die ansteckt, der Rhythmus wo man mit muss.

Die Schandmäuler wussten ganz genau, wie sie ihr Publikum packen konnten. Seien es nun Thomas Lindners komödiantische Einlagen einen mit Jesus on Extasy Ballon zu inhalieren und mit Schlumpfenstimme seine Liebe zum Helium
zu gestehen oder die Idee einen Klassiker wie "Herren der Winde" gleich zu Beginn ins Fegefeuer der Feierlichkeiten zu werfen.

Nachdem Schandmaul auf ihren Platten oftmals sehr viel glatter und gezügelter erscheinen als auf der Bühne, gelang es ihnen heute einmal mehr ihre Songs mit jener Extraportion Lebensfreude zu füllen, die nur Live entsteht und die diese Band im Grunde ausmacht. Vor allem die quirlige Anna an der Geige und Birgit am Gebläse brachten wie immer kräftig Leben in die Bude, während die hintere Riege bestehend aus Ducky, Stefan und Matthias als Arbeitsbienen der Truppe für das entsprechenden Fundament sorgten.

Schandmaul trafen mit ihren märchenhaften Geschichten den Nerv des M´era Luna und feierten mit ihren Fans ein riesige Party, bis auf dem ganzen Platz getanzt, gesungen und geklatscht wurde. Dabei hielten sie mit "Leb!", dem "Drachentöter", "Kein Weg zu weit", "Weit überm Meer", "Die Tür in mir", dem schelmischen "Mitgift" das Tempo angenehm im Fluss, bevor "Vogelfrei" und das explosive Walpurgisnacht dem regulären Set ein viel zu frühes Ende bereiteten. Auch wenn man nicht unbedingt auf Dudelsäcke aus war, lieferten Schandmaul die perfekte Feelgood-Open Air-Unterhaltung für diesen Samstagabend!

 And One

Gute-Laune-Kapelle Nummer 1 erfolgreich absolviert, standen nach einer halbstündigen Pause auf der Hauptbühne bereits die nächsten Schunkelklopfer in den Startlöchern: And One!

Glücklicherweise hatte man bei FKP-Scorpio noch kurzfristig auf die Proteste einiger Fans reagiert, die sich über die zweifellos unglückliche Überschneidung mit Suicide Commando beschwert hatten. In der Tat musste man kein Genie sein um festzustellen dass an der Kombination And One gegen Suicide Commando und Tool gegen My Dying Bride irgendwas faul war, zumal sich bei einem simplen Tausch für keine der 4 Bands etwas an der Spielzeit ändern würde. Zum Glück beseitigte man dieses Durcheinander rechtzeitig, sodass sich nun weder die Elektrofraktion noch die Metaljünger zwischen zwei Bands entscheiden mussten. Großes Lob an die Flexibilität des Veranstalters aber auch die ketzerische Frage: warum nicht gleich so?

Während im Hangar also My Dying Bride die Arie vom sterbenden Schwan aufführten, schickten sich And One auf der Hauptbühne an die ausgebrochene Tanzwut zu schüren. Dabei hatten die Berliner um Wahlhamburger Steve Naghavi sich zusätzlich einiges vorgenommen, wie man auch an den bereitgestellten Aufnahmegeräten und Kameras erkennen konnte. Da wollte sich offenbar noch jemand einen schönen Nachschlag für die angekündigte Bodypop-Live-DVD genehmigen. Oder?

Mit Gio und Chris bereits auf der Bühne und dem Intro im Schacht, dauerte es nur Augenblicke bis auch Steve, in einen weißen Anzug mit orangener Krawatte gehüllt, schelmisch grinsend in Richtung Reling schlumpfte und mit "Fools", im Original von Depeche Mode, umgehend durchstartete. Sollte dies etwa wieder einer dieser Versuche werden dem Publikum And One als Depeche Mode zu verkaufen? Im Ernst Steve, dafür bist Du doch viel zu klein! ;).

Und so machte sich der quirlige Iraner nach 6 Jahren M´era Luna-Abstinenz motiviert ans Werk mit die volle Breite der Bühne auszutanzen und witzigen Sprüchen dem Glück des Publikums auf die Sprünge zu helfen. Leider hatte er sich dabei heute nicht die beste Taktik zurecht gelegt. Seine Begrüßung, "Hiermit erkläre ich das M´era Luna offiziell für eröffnet", sollte leider nicht der einzige aufgewärmte Kalauer aus einer Reihe ehemals origineller Oneliner bleiben, die er bereits auf dem Woodstage Festival erfolgreich getestet hatte. Im Prinzip  wäre das ja nicht mal schlimm gewesen, da Glauchau nicht unbedingt um die Ecke liegt. Allerdings hatte Steve in seinem Eifer wohl nicht daran gedacht, dass das M´era Luna immernoch die Topadresse im Festivalkalender ist und hier naturgemäß auch viele Fans aus dem Osten, bzw. von weiter weg nach Hildesheim pilgern. Und so machte sich Zwergnase ohne es zu merken mit seinen betont humorvollen Sprüchen vor versammelter Mannschaft zum Klaus!

Nur gut dass die Fans überwiegend wegen der Musik da waren, denn hier schöpften And One wie gewohnt aus dem Vollen: auf "Stand the pain" folgte, ähnlich wie bei Schandmaul vorhin, mit "Technoman" die erste Allzweckwaffe gegen Trübsal und Langeweile, bevor es etwas mit "Enjoy the unknown" etwas ruhiger wurde. Ein neues Highlight, dass sich während der „Bodypop fulltime shows“ im Herbst letzten Jahres herauskristallisiert hatte, sorgte auch heute wieder für rege Begeisterung: Timekiller! Es ist schön zu erleben wenn die zeitweilig verbrüderten Pitchfork-Fans in den And One Chor einstimmen und aus vollen Lungen den Refrain mitgrölen. Hier zeigte sich mal wieder weshalb Steve Naghavi Remix-Anfragen gerne mit kompletten Coverversionen beantwortet. Das machte einfach Spaß. Nur die Behauptung, es handle sich bei ihm um den wahren Peter Spilles kaufte ihm keiner so recht ab. Weil, 1. zu klein, 2. zu dick!! Aber auch das hatten wir schon in Glauchau! ;)

Weitere Glanzlichter im Set ließen nicht lange auf sich warten. Vor allem das provokative "Steine sind Steine" mit seiner heißen Phrase, "Sei stolz, Deutscher sei Stolz!", sorgte für erhöhten Spieltrieb auf der Wiese. Allerdings klärte Steve das Ganze anschließend auf, indem er sich herzlich dafür bedankte von uns aufgenommen worden zu sein. Oder wie er es noch vor 2 Monaten formulierte: "Deutschland ist das geilste Land der Welt, und das sage ich (als Ausländer). Denkt mal drüber nach!".

Und der nächste Klopfer folgte auf dem Fuße. So nutzte Steve die "Military Fashion Show" um mal wieder völlig unvoreingenommen festzustellen, dass er sich selbst eigentlich für das Beste an And One hält. Ob Chris und Gio das genauso sehen scheint zumindest fraglich. In jedem Fall legten And One ihren Fans weiterhin zünftig was aufs Tanzbein. Liebgewonnene Live-Klassiker wie das Cure-Cover "The Walk" (die könnten auch mal wieder was Neues machen), die legendäre "Deutschmaschine" oder der durchgeknallte "Fernsehapparat" mit Chris als Verstärkung an der Front durften ebensowenig fehlen, wie der unausweichliche Synthi-Backkatalog bestehend aus "Für", "Recover you" und "Get you closer", bevor das aktuelle "So klingt Liebe" nach 75 Minuten die Show „extatisch“ beendete.

Obwohl die Stimmung durchweg ausgelassen war und And One als Co-Headliner mit ihren Fans eine stattliche Party in den Boden gestampft hatten, muss ich sagen, dass es   Hildesheim trotz zahlenmäßiger Überlegenheit nicht ganz mit Stimmungshoch Steve in Glauchau aufnehmen konnte. Durch die aufgewärmten Ansagen ging viel von der Lockerheit, dem Witz und der Spontanität verloren, mit dem die Berliner in Sachsen so unwiderstehlich zugeschlagen hatten. Wer And One nur heute sah wird sich mangels Vergleichsmöglichkeiten prächtig amüsiert haben. Wiederholungstätern hingegen könnte die Angelegenheit eventuell auf den Magen geschlagen sein.

 Suicide Commando

Mit Suicide Commando wartete für heute nun bereits der letzte Hangaract darauf von der Leine gelassen zu werden. Obwohl ich zugeben muss nicht unbedingt ein ausgesprochener Fan des belgischen Elektroprojekts um Urgestein Johan van Roy zu sein, gab ich mir dennoch einen Ruck mich für ein paar Fotos und die Gelegenheit hinterher Mitreden zu können einen Moment in den Hanger zu quetschen. Nachdem über den Tag verteilt vielerorts eine gewisse Abneigung gegenüber den Headlinern Tool zu verspüren war, verwunderte es mich nicht einen gut besuchten Hangar vorzufinden, in dem die ausgehungerte Elektrofraktion bereits einem ihrer rar gesäten Highlights in diesem Jahr entgegen fieberte.

Pünktlich um viertel nach Zehn nahm dann die Schicksal seinen Lauf und die dreiköpfige Live-Besetzung samt Stammmaschinist Torben Schmidt (Lights of Euphoria) enterte die Bühne, während Projektionen von Massenmördern und anderen Gewaltverbrechern zu den Introsequenzen von "Bind Torture Kill" den Anblick einer überdimensionalen Leinwand „verschönten“. Nahezu zeitgleich begann es im Publikum zu rumoren. Ungeduldig scharrten die Fans mit den Hufen um gleich wie Kiesel von der Zwille zu gehen, doch dazu fehlte noch einer: Johan! Das Oberhaupt des Himmelfahrtskommandos! Bis eben noch an die Kette gelegen, kam er nun als letzter hinter der Bühne hervor geprescht und verschaffte seinem angestauten Adrenalin erstmal gehörig Luft. Wie ein tollwütiger Pitbull schoss er auf seinen Mikroständer zu, holte aus und trat ihn mit voller Wucht aus dem Weg. Das Gestänge ging folglich krachend zu Boden und schlidderte mit Karacho in den Bühnengraben, der bis zum Bersten mit Fotografen gefüllt war. Da kann man nur von Glück reden dass bei dieser Aktion niemand ernsthaft verletzt wurde, zumal der "Übeltäter" in seinem Rausch vermutlich nicht mal darüber nachgedacht hatte, dass so eine Aktion auch ins Auge gehen kann.

Nach dieser Schrecksekunde kehrte zumindest im Graben wieder relative Normalität ein. So "normal" es eben ist, wenn sich gut und gerne 40 unerschrockene Medienvertreter hektisch um ihr Motiv balgen, während in Ihrem Rücken geschätzte 6000 Electroheads den Generalaufstand proben und damit den ruhigen Arbeitstag der Security für beendet erklären. Das kann dann schon mal aufregend werden ;)

Darüber hinaus musste man kein ausgesprochener Suicide Commando Kenner sein um zu erkennen, dass die Belgier im Hangar genau an der richtigen Adresse gelandet waren. Hier konnte sich ihre düster-brachiale Show, samt Leinwandprojektionen richtig entfalten und ihre Atmosphäre ausspielen. Komprimiert auf diesen schmalen Korridor aus Beton und Stahl entwickelte das Konzert auch eine ganz andere Wucht, als draußen auf der Hauptbühne, wo bei Elektroprojekten häufig ein großer der Energie in der "Weite der Prärie" davonschlabbert.

Hier im Hangar herrschte nun verstärkter Ausnahmezustand. Angestachelt vom elektronisch verzerrten Gebell van Roys und dessen durchgeknallten Tiger-Kranich-Posen standen hier doch etliche Atü auf der Leitung und da sich hier eh niemand für Tool interessierte blieb das vermutlich auch bis zum Schluss so. Besonders wenn man sich die Tracklist betrachtete, nach der van Roy. und Co. u.a. mit "Dein Herz, Meine Gier", "Fuck You Bitch" und dem obligatorischen "Hellraiser" noch so einige Bolzen durchs Gehör jagten.

 Tool

Tja liebe Freunde, wenn ich jetzt konsequent wäre müsstet ihr euch anstatt einers Tool Konzertberichtes wohl mit einer leeren Seite zufrieden geben. Die Art, mit der die Amerikaner als Headliner des M´era Luna sowohl mit Medienvertretern als auch den Veranstaltern umsprangen, hätten einen Boykott ohne weiteres gerechtfertigt. Komplettes Fotoverbot trotz vorherig unterzeichneter Knebelverträge und das fehlen Tools auf dem offiziellen Festival-Merchandising waren nur zwei der wilden Geschichten, die sich im Laufe des Tages um die medienscheuen Amerikaner rankten. Nichtsdestotrotz ließ ich mich von den seltsamen Allüren der Band um Sänger Maynard-James Keenan nicht beirren und reihte mich nach einem kurzen Zwischenstop im Pressezelt, bei dem ich artig meine Kameras verstauen um nicht von der vertraglich angekündigten Tool-Eigenen Security standrechtlich erschossen zu werden, im Laufe des Openers "Jambi" vor der Bühne ein.

Was ich dort zu sehen bzw. zu hören bekam stand im krassen Gegensatz zu den zahllosen Unkenrufen, mit denen man im Laufe des Tages und vorab in den Foren überall konfrontiert wurde. Tool mögen zwar nicht zu der Sorte Bands gehören, bei denen man sich mal eben kurz vor die Bühne stellt und lustig abfeiert. Aber musikalisch sind Tool eine Macht. Der Schlüssel zum Glück bestand vor allem darin, den Trubel des Festivaltages für einen Moment abzustreifen und sich in Ruhe auf die Musik der Amerikaner einzulassen. Wer hier noch auf einen Urknall wartete hatte ihn mit großer Wahrscheinlichkeit bereits überhört oder würde ihn nicht mehr als solchen wahrnehmen.

Statt mit der groben Kelle á la Suicide Commando alles umzuholzen was nicht bei drei aus der Schussbahn springt, setzten Tool auf ihr progressives Songwriting, welches gemeinsam mit ausgetüftelten Lichteffekten und den aufwändigen Videoprojektionen eine beinahe hypnotische Wirkung erzeugte. Hatte man diesen Punkt erstmal erreicht und sich in dem komplexen Netz aus Klang und Vision verstrickt, gab es kein Entrinnen.

Zugegeben, Maynard-James Keenan und seinen Mannen versteckten sich zumeist im Dunkeln und bildeten als bewegliche Umrisse das Beiwerk zum multimedialen Overkill. Doch sind es nicht für gewöhnlich die Dinge die wir nicht sehen, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken? Gefangen in diesem Kosmos entfalteten die überlangen Stücke der Band ihre eigentliche Wirkung und die war speziell im Falle von "Stinkfist" und "46 & 2" für mich prägend.

Dennoch kann ich gut verstehen, dass ein Teil des M´era Luna Publikums nichts mit Tool anfangen konnte. Es ist nicht unbedingt jedermanns Sache sich am Ende eines Festivaltages vor eine Bühne zu stellen und Musik bewusst zu erleben, noch dazu wenn die Band überwiegend als artfremd gilt und durch merkwürdige Kapriolen unangenehm aufgefallen ist. Das alles schmälerte jedoch nicht die vorhandene Klasse des Konzerts oder die Leistung der Musiker, die sich mit mathematischer Präzision durch die vertracktesten Arrangements arbeiteten.

Wer die Ruhe besaß sich auf Tool einzulassen und nicht davor zurückschreckte den musikalischen Tellerrand für einen Augenblick außer Acht zu lassen, der wurde mit einem großartigen Konzert belohnt und bekam dabei mit "Schism", "Rosetta stoned", "Flood", "Lateralus" und "Vicarious" einige Meilensteine progressiver Rockmusik serviert. Dafür stehe ich mit meinem Namen! ;)

 Kommando Flatterband

Die letzte Schlacht für heute geschlagen, kehrte nun an der Hauptbühne die Nachtruhe ein. Nach und nach leerte sich der Platz, bis schließlich das Flatterbandkommando die letzten versprengten Seelen vor der Bühne verscheuchte, damit die Aufräumkolonne ihres Amtes walten konnte. Im Hangar nahm unterdessen die große Aftershowparty ihren Lauf und auch auf dem Weg zum Zeltplatz konnte man aus verschiedenen Richtungen die Nachlese des ersten M´era Luna Tages vernehmen.

Ich für meinen Teil trat in gewohnter Manier die Heimreise an und freute mich auf eine erfrischende Dusche, ein warmes Bett, und natürlich den morgigen Tag, an dem mit Krypteria, den 69 Eyes, den Crüxshadows und Deine Lakaien, samt neuer Philharmonie Frankfurt weitere spannende Auftritte auf dem Programm stehen würden. Der heutige erste Tag offenbarte vor allem die Erkenntnis, dass das M´era Luna, wie häufig angenommen auch nicht allein vom Flair lebt, was man vor allem am Hangar erkennen konnte. Zwar gelang es dem Scorpio Team mit ihrer neumodischen Bandbesetzung den Hangar mal ein wenig „aufzuräumen“, dass sich jedoch zuweilen gerade mal ein paar hundert Fans darin einfinden würden war sicher nicht der beabsichtigte Effekt. Somit blieb zu hoffen, dass sich am Sonntag noch einige Tageskarteninhaber hinzu gesellten, um das ungewohnte Bild wieder gerade zu rücken.

Musikalisch gestaltete sich der erste Tag dennoch als abwechslungsreiche Mixtur aus Mittelalter, Metal und Moderne. Neben den sympathischen Openern The LoveCrave gehörten vor allem Pain, Covenant, Emilie Autumn und Schandmaul zu den Gewinnern, wohingegen Assemblage 23 und Client vermutlich im Hangar besser aufgehoben gewesen wären und diesen vor allem auch gefüllt hätten. An Tool schieden sich wie erwartet die Geister und auch die Japaner Dir En Grey dürften wir wohl zum ersten und letzten Mal auf dem M´era Luna erlebt haben. Der Versuch dem Festival mit Bands wie "Fair to Midland" oder "Animal Alpha" frischen Wind einzuhauchen musste ebenfalls als gescheitert betrachtet werden, da erstere trotz eines starken Auftritts kaum vom Publikum angenommen wurden und letztere aufgrund kurioser Umstände gar nicht erst erschienen sind.

Das mag zwar jetzt in der Zusammenfassung alles etwas negativ klingen aber abgesehen von diesen ungewohnten Flecken auf der Weste ging das M´era Luna nach dem ersten Tag in seine verdiente Halbzeitpause und hatte in der Summe seiner Teile wieder eine Menge Spaß gemacht. Aus Besuchersicht konnte man sich obendrein über die zurückgewonnene Bewegungsfreiheit im Hangar und vor der Hauptbühne freuen und da die Organisatoren am Freitag schnell reagiert hatten, war auch die niedergegangene Sintflut kein wirkliches Thema mehr. Mit der Vorfreude auf Sonntag möchte ich mich daher nun von Euch verabschieden und würde mich freuen, wenn Ihr auch morgen wieder hereinschaut zur zweiten Hälfte des großen M´era Luna Rückblicks 2007.

Euer Ritti

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