10 / 10 Punkten
 


Disc Facts:



Label: Sony

Spieldauer: 53:55 Min.

Tracklist:

-Why Not Me
-Shot In The Dark
-In The Middle Of The Night
-Faster
-Fire & Ice
-Iron
-Where Is The Edge
-Sinéad
-Lost
-Murder
-A Demon´s Fate
-Stairway To The Skies

Bonus DVD
-Movies & Music
   Faster
   Sinéad
   Shot In The Dark
   Making Of
   Where Is The Edge
   Utopia
-The Unforgiving:Prequel
-Credits & Facebook Fans

Release: 25.03.2011
 

Produktion:
Daniel Gibson
 

Homepage:
www.within-temptation.com
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Within Temptation – The Unforgiving


Gnadenlos gut!
Manchmal ist es echt zum verzweifeln. Da gibt es Bands die seit Jahren gleichermaßen starke wie kommerziell erfolgreiche Alben abliefern und dennoch, bzw. gerade dadurch zum Beelzebub einer ganzen Szene avancieren. Within Temptation sind so eine Band: das personifizierte Unding mit nervtötender Juchze für den anonymen Facebook-Pöbel im so-called Web 2.0 - ein dankbares Opfer für selbst-Profilanten und frustrierte Hobbymugger.

Zum Glück haben Within Temptation sich von den Schandsagungen rund um ihr Oeuvre nie beirren lassen und das Ding tapfer durchgezogen! Auch wenn Zyniker, nüchtern betrachtet, an dieser Stelle berechtigt anbringen könnten, man habe es ab einer gewissen Anzahl an goldenen Schallplatten auch gar nicht nötig auf derlei Diskurs auch nur einen Pfifferling zu geben. Was sind schon ein paar Miesepeter wenn Millionen treuer Fans nach frischem Material gieren?!

Zum Glück funktionieren Within Temptation so nicht! Trotz ihres unbestreitbaren Erfolges umgibt die Niederländer noch immer Nimbus aus sympathischer Unschuld und musikalischem Familienbetrieb der keine Kosten und Mühen scheut jederzeit mehr als die erforderlichen 100% zu geben. Sei es mit effektvollen Bühnenshows, ausufernden Tour-DVDs, dem bombastischen Mammutwerk „The Black Symphony“ oder schlicht der ungebrochenen Leidenschaft mit der die einzelnen Musiker ans Werk gehen.

4 Jahre nach ihrem letzten Studiowerk „The Heart Of Everything“ melden sich Within Temptation heuer mit „The Unforgiving“ zurück. Bereits im Vorfeld lagen Gerüchte über einen ernstzunehmenden Stilwechsel der Niederländer in der Luft. „Man sei mit dem letzten Werk dort angekommen wo man hin wollte“, hieß es „und es sei an der Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ Nach der ersten Hörprobe „Where is the Edge“ und der Vorabsingle „Faster“ machen Sharon den Adel und Ihre Mannen jetzt Nägel mit Köpfen und stellen ihre musikalischen Koordinaten gehörig auf den Kopf. Dabei verlieren sie den Walkürenritt zwar nie so ganz aus den Augen, doch was mit „The Unforgiving“ aus den Boxen schallt klingt zunächst ungewohnt, entpuppt sich aber rasch als überzeugender 80´s Heavy-Rock mit Hang zum Bombast und starker Pop-Attitüde!

Durchweg mit ausladenden Melodiebögen gespickt, streift man auf der Reise durch das Album immer wieder Passagen, die einen mal mehr mal weniger dezent, an die Helden der 80er erinnern. Ein Spritzer „Kim Wilde“ hier, „Desireless“ dort, dazu ein guter Schuss „Pat Benatar“, eine Prise „A-Ha“ und auch der gute alte „Chris Isaak“ schillert mit seinem „Wicked Game“ an einer Stelle des Albums wohltuend durch.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, Within Temaption kupfern keineswegs blind ab. Sie fangen jedoch den Geist der Zeit derart überzeugend ein, dass man die besagten Künstler bisweilen bildlich vor Augen sieht. Dabei prägt das Album buchstäblich eine ganz eigene Bildsprache! Angelehnt an den Stil des Film Noir, basiert „The Unforgiving“ auf einer Story von Autor Stephen O' Connell (Blood Rayne, Dark 48), welche parallel in den nächsten Monaten als mehrteiliges Comic erscheinen wird. Ähnlich wie die US Prog-Rocker „Coheed & Cambria“ greifen Within Temptation in ihren Songs Fragmente der Story auf welche später durch die visuelle Beigabe komplettiert wird.

Im Gegensatz zu Coheed & Cambria, deren Storybogen sich über 4 Alben und ein Prequel spannt, müssen sich Within Temptation Fans jedoch keine Gedanken machen nun über Jahre im Dunkeln zu stehen. Dank aufwändig produzierter Kurzfilme auf der Bonus-DVD des Albums, werden die Vorgeschichten der Hauptcharaktere beleuchtet und effektvoll in Szene gesetzt, sodass sich die Essenz der Geschichte recht zügig zu erkennen gibt. Fans sollten daher unbedingt zur limitierten Auflage greifen und sich obendrein damit den Videoclip zu „Where is the Edge“ und ein 20minütiges „Making of“ sichern. Doch zurück zum eigentlichen Geschehen:
Während die Kompositionen – allen voran das grandiose „Shot In The Dark“ - mit großen Melodien punkten, erweist sich der äußerst variable Gitarreneinsatz der Herren Jolie und Westerholt als absoluter Glücksgriff. Vom akustischen Klangtupfer („Lost“) über atmosphärische Spitzen („Shot in the Dark“) bis hin zum brachialen Chord-Gewitter „In The Middle Of The Night“ öffnet sich ein gewaltiges Bouquet das es in dieser Pracht auf früheren Alben der Band nicht zu bestaunen gab.

Ohnehin fahren Within Temptation mit „The Unforgiving“ eine wohltuende Vielfalt auf. Während typischen Nummern wie die WT-Quotenballade „Fire & Ice“ oder der Bombastbomber „Iron“ die Seelen der Gerne-gestrigen streicheln, dürfte weniger wandlungsfähigen Gemütern spätesten beim Disco-Fox Stampfer „Sinéad“ dezent die Kauleiste gen Südpol entgleisen. Dabei ergibt die krude Mischung aus deftigen Gitarren und Tötensener-Tanzmaus Boogie schon nach wenigen Durchläufen den totalen Sinn und entpuppt sich dank Monsterhook und sattem Groove in letzter Konsequenz als der vielleicht stärkste Song des Albums, während er zudem das neue Gewand von Within Temptation auf die Spitze treibt.

Songs wie „Sinéad“, „Faster“ oder das eingangs erwähnte „Shot in the Dark“ sind es auch mit denen der Band der Befreiungsschlag gelingt und „The Unforgiving“ zu einer riesigen Spielwiese wird auf der sich die Niederländer nach Herzenlust austoben. Dabei fügt sich der neue Stil derart organisch und überzeugend in das Gesamtbild ein, dass streng genommen eher die älteren Songs der Marke „Elbenwald“ etwas aufgesetzt wirken. Aber das ist dann schon wieder Nörgeln auf hohem Niveau!

Während die Band im Hintergrund geballt auffährt, darf in einer Rezension über ein neues Within Temptation Album natürlich auch Sängerin Sharon den Adel nicht unerwähnt bleiben. Als Powerfrau und Mutter (Glückwunsch übrigens zum gesunden Dritten!) liefert sie hier ihren bislang überzeugendsten Gesangsbeitrag ab. Kraftvoll kämpft, kratzt, schluchzt und leidet sich Sharon durch die Songs und drückt dem Album ihren unverkennbaren Stempel auf. Also alles wie gehabt? Weit gefehlt! Der Clou liegt im Detail! Statt ungebremst in die hohen Lagen vorzupreschen, hat man Sharons Stimmbanddynamo einen Drehzahlbegrenzer verpasst. Sensiblere Trommelfelle werden den überwiegenden Aufenthalt im oberen Mittelfeld wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Alle anderen dürfen das aber auch ohne darüber nachzudenken einfach geil finden! Vor allem wenn Frau Den Adel in Songs wie „Lost“ mit unwiderstehlicher Hingabe ins Mikro schmettert dass einem für Sekundenbruchteile regelrecht die Luft wegbleibt. Powerful as power can be!

Abschließend lässt sich guten Gewissens sagen, dass Within Temptation mit „The Unforgiving“ eine Frischzellenkur erster Güte gelungen ist. Durch die Bank druckvoll, abwechslungsreich und eingängig schütteln sich die Holländer den Bast vom Leib und fühlen sich im Fahrwasser der 80er Pudelwohl. Langeweile kommt hier so schnell keine auf. Die Songs klingen gut abgehangen, wirken trotz des übergeordneten Konzepts nie verkopft und überhaupt sprudelt die Spielfreude aus jeder Note des Albums. Man spürt dass die Band mit sich im reinen ist und genau dort steht wo sie hin wollte. Überzeugend wie selten zuvor rocken die Niederländer unverkrampft drauflos und sind damit vor allem eins: hochgradig suchtgefährdend! Wasserdicht bis 1200 Meter dürfen Damenrock-Fans und Freunde großer Melodien bedenkenlos zuschlagen. Der Rest hört weiter Combichrist!

Ritti

10/10

Anspieltips:

-Shot In The Dark
-In The Middle Of The Night
-Lost
-Sinéad