14.03.2008 - New Wave Night mit XOTOX + FabrikC (Hannover, Capitol)

Wahrheit “Dänen” oder Wahrheit “Finnen”, das ist die Frage, wenn es um die erste große New Wave Night im Jahre 2008 geht. Ich für meinen Teil habe meine Wahrheit bereits gefunnen und wem sie nicht gefällt, der darf sie gerne Dänen! Verwirrt genug? Gut, dann kanns ja losgehen! So richtig eindeutig war die Sache mit der New Wave Night heute nämlich nicht. Oder um es mal auf den Punkt zu bringen: die tatsächliche Zeitspanne zwischen Einlass und Beginn einer Veranstaltung im Capitol war auch heute wieder so "dänbar" wie die Haushaltsgummis von Oma Trudes Einmachgläsern.

Als ich um 20 nach Acht meinen Yps-Heft-Agentenausweis gezückt und das Tor zur Maschinenhölle passiert hatte, lag das Pandaemonium noch recht überschaubar da. Anwesend bislang: ein paar verstreuselte Frühstarter, ein Sack voll Raucher im "Hier-Dürft-Ihr-Noch-Salon" und der DJ-Guy Hawaii, der sich hinter seinem Pult warm kurbelte. Da dieses heute mit auf der Bühne stand und somit gegenüber den sonstigen Parties im Capitol etwas ab vom Schuss lag, hatte man eigens eine kleine "Ecki-Stiege" in den Bühnengraben gepflanzt, über die das Publikum später am Abend Musikwünsche an den Mann bringen konnte.

Zuerst war jedoch Live-Zeit im Capitol oder was man so dafür hält. Gegen kurz vor spät, es muss wohl so um 21 Uhr 39 geswesen sein, pirschte sich die erste Band des heutigen Electro Specials in Position: FabrikC!

Die Lokalmatadoren und Ballermänner aus Passion (nebst Ballerfrau) hatten heute die ehrenvolle Aufgabe übertagen bekommen, ihren Labelkollegen XOTOX den Hof zu bereiten. Allerdings mussten Thorsten Berger alias FabrikC und seine Mitstreiter Halfevil und Ivy Chrome da irgendwas falsch verstanden habe. Denn anstatt das Publikum für XOTOX anzuheitern stahlen die Hannoveraner ihnen rotzfrech die Schau!

Im direkten Vergleich zeigte das Trio vor heimischer Kulisse ihren Tourherren, wo der Bartel den Most holt. Gut, in Sachen Zuschauermenge zogen natürlich den Kürzeren. Von der Stimmung her konnten sie aber allemal mithalten und punkteten mit im Industrial-Bereich oftmals unterschätzten, ja geradezu verschmähten Eigenschaften, wie Publikumskontakt und einer Prise Humor!

Mit elektronischen Schlagstrombolzen und coolen Sampleorgien rockten FabrikC ihre Heimat und veranstalteten von Anfang an eine regelrechte "Hexenjagd" auf Rumsteher und Nichttänzer. Dabei lockte Thorsten seine Schar immer wieder mit rüden Wortattacken und flachsigen Bemerkungen aus der Reserve, während die Beats der bisherigen FabrikC Alben „Gleichstrom“ und „Impulsgeber“ jeglichen Widerstand niederstreckten. Und daaaaann? Eine Portion Chinese Food! Und wer jetzt noch stand, musste wohl beim "Passivtod" ums Leben gekommen sein.

Für meinen Geschmack verleiben FabrikC ihrem Industrialgewitter jenen entscheidenden Schuss Wiedererkennungswert ein, den es braucht, um aus stupidem Lärm einen charmanten Tritt in den Hintern zu machen, der auch am morgen danach noch prima brummt.

XOTOX im Anschluss enttäuschten dagegen auf breiter Front. Obwohl das Fach-Publikum sich vom Paderborner Rappelkarton offenbar bestens unterhalte fühlte, stürzte das musikalische Ni-
veau auf der Bühne ins Bodenlose. Mehrminütige, sich gegen-
seitig in Eintönigkeit überbietende Krawallcollagen mit anderthalb Glückstreffern dazwischen, paarten sich mit einer unterirdischen Live-Performance und unfreiwilliger Komik. Und ob permanentes Wasserschnorcheln während der laufenden Stücke unbedingt den Live-Eindruck unterstützt sei obendrein dahingestellt. Wo ist sie geblieben, die wuchtige Live-Show mit der Jesuskreuzpercussion und ihrer Trennschleiferromantik?  Wo ist der Drummer geblie-
ben? Alles fort? Nur noch Knöpfe drehen? Naja nicht ganz! Denn XOTOX haben ein neues Instrument erfunden: Die apokalyptische Furztrommel!!!

An einen Nebelwerfer gekoppelt, mit Auslass in der Mitte, funktionierte dieses archaische Spielzeug nach einem simplen Prinzip: seitlich mit dem Schlägel draufgekloppt und schon setzte die Furztrommel einen lustiges Pupswölkchen in die Welt, als hätte jemand Rainer Calmund kameradschaftlich auf die Plauze gehauen.

Ich für meinen Teil hatte nach 20 Minuten erstmal genug und das was ich vom Foyer des Capitols noch mitbekam, zementierte nur meine Zweifel am musikalischen Anspruchsdenken der Industrial-Krieger. Gegen ein bisschen Bumm Bumm ist ja nichts einzuwenden, doch was XOTOX hier vom Zaun brachen, hatte für mich mit Musik nichts mehr zu tun. 100% Lärm für den härtesten Kern der Hardcorefreunde. Ohne mich!!!

Um so froher war meiner einer, als nach 2 Zugabeblöcken der Spuk endlich ein Ende hatte und die Disco mit etwas gemäßigterem Klangwerk meine verkrampften Trommelfelle massierte. Eine Wohltat!! Auf der Tanzfläche sammelten sich nach kurzer Verschnaufpause dann die Nachtschwärmer Hannovers. Dabei ließ sich auch heute wieder der Trend beobachten, dass etliche Besucher der New Wave Night mittlerweile auf das Bandprogramm pfeifen, um nach Mitternacht für eine Handvoll Euro im Capitol Gas zu geben.

Ohnehin war der Zulauf an diesem Abend für eine New Wave Night nicht der beste. Während der Bands verirrten sich bestenfalls geschätzte 250 Leute ins Capitol, was bei einem Laden für 1800 Besucher schlichtweg ein Trauerspiel war. Erst mit Anlauf der Party entspannte sich das Bild, konnte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Kai Hawaiis Entscheidung, seine New Wave Night sporadischer zu platzieren und in modifizierter Form in den angrenzenden Dark Star Club zu verlegen zeitgemäßer kaum sein könnte. Offenbar scheint auch die große Zeit des Ramschelectro allmählich zu verwittern wie Eichenlaub in der Oktobersonne und melodischere Klänge zurückkehren. Gott sei dank!

Alles in allem lbleibt festhalten, dass für mich FabrikC den Abend retteten, während die eigentlichen Stars des Abends einen entbehrlichen Auftritt hinlegten, der zwar für perpetuierte Bewegung im Volk sorgte, ansonsten aber wenig zu bieten hatte. Bei aller "Dänbarkeit" der Wahrheit konnte ich daran wenig Schönes "finnen"!!!
In diesem Sinne, auf nimmer wiedersehen!
Gute Nacht!

 

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