7,5 / 10 Punkten
 


Disc Facts:



Label: Repo Records

Spieldauer: 49:47 Min.

Tracklist:

-Kill The Lights
-Goodnight
-Falling Down
-Unfamiliar
-Red Stars
-Looking Glass
-Science
-Remember Me
-To Die For
-Walking With Strangers
-Weekend
-Movie


Release: 21.09.2007
 

Produktion:
Michael Rainbow
Mike Falcore
Dave Ogilvie

Homepage:
TheBirthdayMassacre.com


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The Birthday Massacre - Walking With Strangers


Zahnspangengothic deluxe...;)
Wir schreiben das Jahr 2004. Eine hier zu Lande wenig bekannte kanadische Band mit dem Namen The Birthday Massacre wagt den Sprung über den großen Teich. Ihr Debutwerk „Nothing & Nowhere“ , mittlerweile zu einem ausgewachsenen Album herangereift, erscheint mit einer veränderten, teils erweiterten Tracklist unter dem Titel „Violet“ beim Hamelner Label Repo Records. Mit betörender Unverbrauchtheit präsentieren sich The Birthday Massacre als Rohdiamant im Schnittkreis aus 80er  Synthipop und metallischem Industrialgewitter. Von der Presse begeistert aufgenommen, steigen The Birthday Massacre über Nacht zur neuen Szene-Hoffnung auf. Zuckersüß und mordsgefährlich nehmen die Kanadier dabei Kurs auf Deutsche Bühnen, wo sich Sängerin Chibi und ihre Mannen vor Live-Publikum beweisen. Der Aufstieg vom Newcomer des Monats zum begehrten Namen in den sommerlichen Festivalprogrammen verläuft mit rasendem Tempo, bis 2006, auf dem M´era Luna, schließlich über 10.000 Fans die Band begeistert feiern.

Ohne Frage, von dieser Erfolgsgeschichte kann sich so manche Band eine Scheibe abschneiden, zumal es für The Birthday Massacre auch in heimischen Gefilden recht gut voran ging. Doch irgendwann ist für jeden Künstler der Punkt erreicht an dem es den Blick in die Zukunft zu richten gilt und neue Taten in Angriff genommen werden müssen. Nachdem Ihr Erfolg mit „Violet“ sie für über 2 Jahre in Atem hielt, war für The Birthday Massacre im vergangenen Sommer die Zeit reif, Pläne für ein neues Album zu schmieden.

Obwohl sie zwischenzeitlich erste Kostproben des Albums live vorstellten, begingen die Kanadier nicht den Fehler vieler Bands, das Verlangen der Fans nach Neuem Material mit einem Schnellschuss zu stillen. Über ein weiteres Jahr verstrich, bis mit „Walking With Strangers“ nun der lang erwartete „Violet“-Nachfolger in den Regalen steht. Doch hat sich die lange Wartezeit auch gelohnt?

Zumindest verläuft bei „Walking With Strangers“ musikalisch alles an in geordneten Bahnen. Die Haupt-Songwriter der Truppe, Michael Rainbow und Mike Falcore, waren sich ihrer Verantwortung den Fans gegenüber bewusst und rückten vom geliebten Erfolgsrezept nur Millimeterweise ab. Videospielmelodik trifft bretternde Gitarren. Garniert mit Chibis charismatischem Gesang ist daran auch Anno 2007 zunächst nichts auszusetzen. Im Gegenteil, die Dame hat stimmlich mittlerweile hörbar zugelegt und gerät mittlerweile erfreulich selten ins Wanken. Nur wenn es sie erwischt, dann richtig. Dazu aber später mehr.

Als verführerischer Bastard aus Marilyn Manson und Depeche Mode kostümiert, fühlt man sich bei Songs wie „Kill The Lights“, „Red Stars“, „Science“ und „Weekend „mit ihrer gewohnt abgründigen Zahnspangenromantik umgehend heimisch. Da wundert es kaum, dass der aus seinem Dornröschenschlaf erweckte „Nothing And Nowhere“-Träumer „To Die For“ zwischen den neuen Kleidchen gar nicht weiter auffällt.

Während die Songs allesamt für sich stehen, schafft es „Walking With Strangers“ aus der Vogelperspektive betrachtet nicht an die Eigenständigkeit seines Vorgängers anzuknüpfen. Gut, die Produktion ist inzwischen 1A  und bietet den Gitarren mehr Raum zur Entfaltung. Dazu gehen die Herren Rainbow und Falcore nun hörbar variabler mit ihren Instrumenten um. Dennoch beschleicht einen vom Fleck weg das Gefühl alles schonmal gehört zu haben, manches besser anderes schlechter als vorher.

Wo „Violet“ unbekümmert tat wozu es Lust hatte und TBM damit ihren eigenen Platz im Schnittkreis elektronischer Rockmusik bescherte, wirkt „Walking With Strangers“ wie der kalkulierte Versuch diese Position um jeden Preis zu behaupten. Dabei schleifen sich die Kanadier jedoch nicht nur einen Teil ihrer liebenswürdigen Ecken und Kanten ab. Vor allem das Überraschungsmoment kommt ihnen abhanden.

So mischt sich neben den (zugegebenermaßen zahlreichen) Hitkandidaten mit „Goodnight“ und „Unfamiliar“ der ein oder andere unspektakuläre Track ins Bild, bei denen ich mich frage ob den Kanadiern jetzt schon die Luft ausgeht. Zum Glück unternehmen sie  in der zweiten Albumhälfte dann doch noch ein paar Versuche der Klangfalle zu entfliehen. Dabei versuchen es TBM zuerst auf leisen Sohlen: „Remember Me“ als melancholisch-verträumter Discoschunkler hätte in den 80ern sicher so manche Frisöse befeuchtet und sticht aus dem Album mit seinem poppigen Radiocharme und Chibi´s gehauchtem Gesangseinsatz hervor. Ein interessantes Stück!

Der Titeltrack „Walking With Strangers“ entpuppt sich unterdessen als coole Sisters of Mercy-Hommage mit Hintern in der Hose und hätte wohl das Zeug zu einem richtigen Kracher gehabt, wenn Chibis Gesangsparts in diesem Falle halten würden, was ein energischer Antritt und treibende Grooves versprechen. Gnadenlos wird die Ärmste die Tonleiter hinauf gescheucht, bis sich die Frage aufdrängt, was wohl zuerst den Geist aufgibt, Chibis Stimmbänder oder die eigenen Trommelfelle. Es werden noch Gebote angenommen!

Movie“ hingegen mimt als klassische Feuerzeugballade den Rausschmeißer. Ähnlich wie in „Remember Me“ schreitet Chibi hier sehr behutsam zur Tat, während die Saitenfraktion einen Faible für Cure-Gitarren entdeckt. Über den Tellerrand geschaut ist zwar auch das nichts neues aber zumindest ein weiterer Farbtupfer auf einem Album, das sich musikalisch ebenso violett färbt, wie sein Cover.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, The Birthday Massacre beweisen auch mit „Walking With Strangers“ wieder ein enormes Gespür für Killersounds und Mördermelodien. Die Produktion des Albums ist ebenso brilliant. Fans werden es lieben und wer „Violet“ verpasst hat, kann hier bedenkenlos einsteigen. Der langen Wartezeit sei dank, liefern Chibi und Co. hier kein eilig zusammengeklemptnertes Flickwerk ab, wie es so häufig nach großen Erfolgen passiert, sondern präsentieren ein ausgereiftes Album, das in sich wie aus einem Guss klingt. Schade nur dass der Band dabei der Pioniergeist abhanden gekommen ist, wodurch es der Suppe am Ende an Salz fehlt. Für meinen Geschmack gehen die Kanadier ein Tick zu sehr auf Nummer sicher und beschränken sich mit wenigen Ausnahmen darauf ihren Fans zu liefern was sie aus der Vergangenheit heraus erwarten. Somit erscheinen die Songs, einzeln betrachtet, fast noch stärker als im Team, wo sie im Dutzend auf einer Wellenlänge funken. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Wurf wieder etwas mutiger ausfällt und The Birthday Massacre nicht eines Tages ein ähnliches Schicksal ereilt wie AC/DC und Modern Talking. Damit es gar nicht erst so weit kommt, zücke ich konservative...

7,5 von 10 Punkten

Anspieltips:
Kill The Lights
Red Stars
Remember Me
Walking With Strangers