7,5 / 10 Punkten
 


Disc Facts:



Label: Napalm Records

Spieldauer: 50:31 Min.

Tracklist:

-
People Are People
-Smalltown Boy
-Relax
-Don´t You Forget About Me
-The Sun Always
  Shines On TV
-Hey Little Girl
-Fade To Grey
-Such A Shame
-Keine Heimat
-Here Comes The
  Rain Again
-Forever Young
-Feels Like Heaven (Bonus)

Release: 29.02.2008
 

Produktion:
Alexander Krull
 

Homepage:
www.atrocity.de
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Atrocity - Werk 80 II (ltd. ed. Digipack)


„Willkommen zurück in den 80´ern. Härter als jemals zuvor!“
Wenn es nicht schon ein T-Shirt Spruch wäre, müsste man ihn glatt dafür Erfinden! Satte 11 Jahre nach ihrem ersten musikalischen Ausflug in die Ära der Fönfrisuren, pinken Leggins und Miami Vice., fühlen sich die Fellbacher Freistilmetaller von Atrocity dazu berufen, handverlesenen Perlen der 80er ihren stählernen Stempel aufzudrücken. Kurioserweise gehören die Mannen um Fronthirsch Alexander Krull seit „Werk 80“ zu den wenigen Bands im Metalsektor, die mit einem Coveralbum voller Klassiker selbst zum Klassiker wurden. Und da Adel bekanntlich verpflichtet, setzen Atrocity nach 2 Alben zwischen neuer deutscher Härte (Gemini) und finsterem Deathmetal (Atlantis) dort wieder an, wo Teil I im letzten Jahrtausend endete, im Popwahn der schrillen 80er!

Das Überraschungsmoment, welches dem Original damals über gesangliche Schwächen und manch musikalisches Gewaltverbrechen hinwegzutäuschen half, ist mit Werk 80 II freilich verflogen, die Songs, für Kinder der 80er allesamt musikalische Allgemeinbildung, hinlänglich bekannt. Und doch dürften Atrocity mit ihrem Trip in die Vergangenheit wieder einiges an (neuen deutschen) Wellen schlagen.

Dabei bleiben sich Atrocity zumindest schonmal in optischer Hinsicht treu und locken den geneigten Plattenkäufer mit den weiblichen Rundungen Dita von Teeses, welche sich schuberseitig lasziv in Pose räkelt. Tiefer ins Artwork vorgedrungen, erwartet einen die von Werk 80 bekannte Fetischoptik, mit Bandfoto und einem Faltposter der Manson-Ex im burlesken Stil, der dem aufmerksamem Betrachter schon einiges über die musikalische Ausrichtung des Albums verrät, gleich einem High-Class Porno für die oberen 10.000.

Wütete Werk 80 noch wie die Axt im Walde, dürfte selbst oberflächlichsten Hörern kaum die musikalische Entwicklung entgehen, die Atrocity mit Werk 80 II an den Tag legen: Orchestraler Streicherpomp, Chöre und schroff-donnernder Gothic-Metal, fett produziert, fügen sich wie aus einem Guss ineinander und lassen den poppigen Seelen der ursprünglichen Songs deutlich mehr Luft zum Atmen, als die struppig straffe Metalkorsage aus dem Jahre 97.

Kurioserweise verwischen sich dadurch die Grenzen zwischen Original und Fälschung, wodurch nicht selten die Popcover mit Metaleinflüssen zu Metalcovern mit Popeinflüssen mutieren. Und auch Familienintern rücken sich Alex und Liv Kristine musikalisch derart eng auf die Pelle, dass die Hälfte der Songs problemlos auf einem Leaves' Eyes Album stehen könnten, was wohl nicht nur ein gelungener PR-Gag gewesen wäre, sondern dem Album eines seiner Probleme gelöst hätte:

Obwohl Liv Kristne im Rahmen des Albums konsequent als Backgroundsängerin und zweite Stimme eingesetzt wird, bleibt das Gros des Gesangs leider an Papa Alex hängen, der es trotz einer deutlichen Steigerung mühelos schafft, einen Klassiker, wie Alphavilles „Forever Young“ mit Anlauf zu versenken. 50% versemmelte Töne, gepaart mit der stimmlichen  Ausstrahlung einer rostigen Gießkanne lassen erst aufhorchen, wenn Liv, samt Chor, dem überforderten Barden zu Hilfe eilt und rettet war nicht mehr zu retten schien. Zwar gilt die Regel: „je härter der Song, desto besser der Alex“ aber leider auch „je mehr Liv, desto „stimmiger“ der Song“.

Apropos Songs! Dass bei 12 Titeln erneut nur ein kleiner Teil an Klassikern durch die Metal-Mangel gedreht wurde und man trefflich darüber streiten kann, ob ein anderer Titel der jeweiligen Band vielleicht würdiger gewesen wäre, bleibt nicht aus. Dennoch findet sich auf Werk 80 II ein repräsentativer Streifzug durch die 80er Jahre, von der Neuen Deutschen Welle (Ideal), über Synthi-Pop á la Depeche Mode, bis hin zum Wavepop der Eurythmics.

Während die Songs dabei in ihren Grundzügen erhalten blieben, haben einige von Ihnen die Metalmorphose besser überstanden als andere. Katastrophen, wie „Forever Young“, bleiben zwar gottlob die Ausnahme, doch mogeln sich dennoch ein paar Kandidaten ins Bild, denen ihr freudloser Goth-Metal Anstrich entweder nicht steht („Here Comes The Rain Again“) oder nur wenig neue Impulse vermitteln kann („Don´t You Forget About Me“). Andere Nummern, wie Depeche Modes „People Are People“, „Relax“ von Frankie Goes to Hollywood und „Keine Heimat“ (Ideal) blühen dagegen regelrecht auf oder scheinen, wie „The Sun Always Shines On TV“, geradezu prädestiniert für ein fetzig orchestrales A-Ha Erlebnis.

Nach ihrem wilden Tauchgang ins ertrunkene „Atlantis“ beweisen Atrocity auf „Werk 80 II“, dass sie sich auch in seichteren Gewässern durchaus noch wohl fühlen. Die musikalischen Errungenschaften der letzten Leaves' Eyes Produktionen gewinnbringend integriert, gelang dem Fellbacher Metalclan eine konsequente Weiterentwicklung der Werkreihe 80, die trotz gesanglicher Schwächen, sowie dem ein oder anderen Hänger, als kurzweilige Ode an das verrückteste Jahrzehnt der Musikgeschichte durchgeht. Wer einen räudigen Bastard á la Teil 1 erwartet sollte jedoch besser Probehören! So glatt wir Teil 2 daherkommt, besteht hochgradig Rutschgefahr!

7,5 / 10

In der limitierten Deluxe Edition ist neben dem Bonustrack „Feels Like Heaven“ auch der komplette erste Teil der Werkreihe 80 enthalten, einschließlich der Bonuscover „Das Letzte Mal“, „Deutschmaschine“ und „Verschwende Deine Jugend“. Wer Werk 80 seinerzeit verpasst hat, sollte zuschlagen und darf die Wertung gerne um einen Punkt nach oben korrigieren!

Anspieltips:

People Are People
The Sun Always Shines On TV
Keine Heimat
Forever Young