Folge 47 - 25.12.2004 - Dark Storm Festival  (Chemnitz - Stadthalle):

Hallo Liebe Freunde und erneut willkommen zu einer frischen Ausgabe aus der beliebten Reihe "fernreisen bildet". Heute mit der Erkenntnis, dass nicht alles was Fantasy scheint auch immer phantastisch ist. Und so hab ich mir dieses mal das Ritti-Mobil unter den Hintern geklemmt, um mich samt Kollegen der beifahrenden Zunft von Klinga, dem Heim der Klingonen, über Grimma (Schlangenzunge) bis hin zur ehemaligen Karl-Marx-Stadt Chemnitz vorzuarbeuten, um dort erstmals am sich seit Jahren wachsender Beliebtheit erfreuenden Dark Storm Festival teilzunehmen.

Sowohl von der genialen Location, der Chemnitzer Stadthalle, als auch vom gebotenen Programm mit Project Pitchfork und And One als Headliner gelockt, heizte ich also um die Mittagszeit los in Richtung Chemnitz und erreichte das gewünschte Fahrtziel dank einer weihnachtsfreien Autobahn und der frischen Besohlung des Ritti-Mobils in einer neuen Rekordzeit.

 Von Phantomfans und anderen Sichtproblemen:

Gegen 16:00 Uhr noch recht einsam vor der Stadthalle vegetierend, hieß es dann erst einmal “Warten of Godot”, denn von den zahlreichen bekannten Gesichtern aus dem Pitchfork Lager war trotz großspuriger Ankündigungen im Vorfeld nicht viel, oder besser gar nichts, zu sehen. Erst gegen halb 5 begann sich der Platz vor der Halle allmählich zu füllen und auch der ein oder andere "Hardcoreler" fand sich zum nachmittäglichen Sit-In mit “Biersche” in der Hand ein.

Gegen 17 Uhr sollte dann die erste Überraschung des Tages anstehen. Das allseitsbeliebte Pitchfork-Mobil, wie immer pilotiert von seinem Halter Frank, wurde zum Mittelpunkt des Interesses und musste mit seinen zahlreichen Verziehrunungen im Pitchfork-Style als Model für dieverse Fotos herhalten. Aber Vorsicht Leute, knipst nicht alles und jeden den ihr für ungewöhlich haltet, seine Verkleidung könnte echt sein! So hatte ich heute das seltene Talent, bei der Anfertigung eines Besucherfotos auf den Piraten Störtebeker zu treffen. Nicht ahnend dass der junge Mann seine Augenklappe aus einem realen Grund trug, lichtete ich ihn ab und wurde kurz darauf immer kleiner, als er sein Klappe lüftete und ihm wirklich ein Auge fehlte. Sorry Mann, falls du das hier liest...das Fettnäpfchen hätte ich gerne ausgelassen. :/

Entgegen der offiziellen Ankündigung vom Einlaß ab 5 ließen die Wächter des Tores uns draußen noch ein wenig warten und in der Kälte des angehenden Winterabends frösteln, was besonders gemein war, da “die Herren Sicherheit” bereits wohlbeheizten Eingangsbereich hockten und mit großen Augen nach draussen schauend auf den Startschuß von Oben warteten. Erst 17:30 hatte jemand ein einsehen und liess das beliebte Sesam-Öffne-Dich-Spiel in eine neue Runde gehen. Während kartenbesitzende Fans über den Haupteingang in die gute Stube schlüpften, hatte man auch dieses Mal, wie schon beim Festival "Begegnungen" (vor etwa einem Jahr) die Abendkasse sowie das “Schnorrer-Hier-Entlang-Blättchen” (auch bekannt als Gästeliste) getrennt vom Mob platziert. Selbigen Weg wählend machte ich mich also auf zum Tresen, an dem bereits zwei nette Damen eifrig rote Bändchen und sonstige Annehmlichkeiten verteilten.

Dann noch kurz durch die Sicherheitsschleuse geschlüpft, und schon konnte der Abend beginnen. Da zwischen dem Jetzt und dem ersten Bandauftritt noch etwas mehr als eine Stunde lag, wollte die verbleibende Zeit irgendwie genutzt werden. Und so machte ich mich erstmal zu einer kleinen Entdeckungsreise durchs üppige Ambiente der Chemnitzer Stadthalle auf:

Neben den Merchandise-Ständen der einzelnen Bands (ja die waren getrennt), gab es unter anderem kunstvoll verzierte Wände, Statuen und sogar einen kleinen Dschungel zu entdecken, den man auf dem Weg zur Nebenbühne von einem hübsch angeleuchteten Schaufenster aus betrachten durfte. Im großen Saal mit der Hauptbühne indes, erinnerte alles an eine waschechte Konzertveranstaltung. Allerdings mit dem Haken, dass die oberen Ränge leider mal wieder für die zahlende Kundschaft gesperrt waren. Die Bühne wiederum hatte man sehr großzügig angelegt, obwohl sie für meinen Geschmack noch ein Tickchen höher hätte sein können. Gleiches galt übrigens auch für die Nebenbühne im kleinen Saal: Extrem niedrig gehalten, musste man sich einige Meter hinter dem Wellenbrecher schon ziemlich strecken, um den Bands noch genau auf die Finger schauen zu können, zudem sich die auch die Beleuchtung hier später als eine ziemliche Katastrophe herausstellen sollte.

Nachdem mir zwischenzeitlich mindestens 128,57 bekannte Gesichter über den Weg gelaufen waren und ich mich langsam fragte wieso ich hier in der Fremde fast mehr leute Kenne als Zuhause kündete ein unmißverständliches Geräusch aus dem Inneren des großen Saales, vom Beginn des Programms:

 Lacrimas Profundere:

Die erste Band des Abends hörte auf den lateinischen Namen Lacrimas Profundere und sortiert sich nach eigener Aussage in die Kategorie Rock´n´sad ein, was live letztlich nicht viel anders klang, wie beispielsweise die vielgelobten "Secret Discovery". Von der Presse durchweg mit wohlwollenden Meinungen bedacht, brachte sich das was die 6 Herren hier boten durchaus wohklingend zu Gehör. Allerdings ging es wohl dem größten Teil des Publikums ähnlich wie mir. Und so beschränkten sich die Zuschaueraktivitäten durch Unkenntnis der Band auf gespanntes Zuhören und höflich gespendeten Applaus zwischen den Songs. Erschwerend hinzu kam noch, dass sich Sänger Christopher Schmid aufgrund einer Erkältung nicht in Topform befand und man angesichts des doch überwiegend elektronischen Restprogramms etwas am Nerv des Publikums vorbei gniedelte. Insgesamt boten Lacrimas Profundere keine schlechte Vorstellung, mit der sie jedoch im Vorprogramm von Subway to Sally, wo sie derzeit spielen, deutlich besser aufgehoben sind.

 Das Ich:

Den nächsten Act des weiterhin noch jungen Abends braucht man wohl niemandem mehr großartig vorszustellen. Das Ich, alias Bruno Kramm und Stefan Ackermann gehören nicht erst seit ihrem jüngsten Doppelwerk Lava (Glut & Asche) zu den absoluten Kultbands der Szene. Zahlreiche Hits, wie Destillat, Gottes Tod, Kain und Abel (Die Totgeweihten) pflastern ihren Weg und entsprechen rege war auch das Interesse an der neuen Show der Cottenauer Schlossmusikanten. Nur dass die neue Show eigentlich die alte war. Denn wie schon auf dem Secret Garden Festival im Sommer oder dem Mera Luna 2002 hatte man die bekannte Keyboardkrake auf der Bühne, woran sich Bruno und sein Kompagnon Kain Gabriel Simon mal mehr und mal weniger näher kamen, und natürlich Stefan Ackermanns legendärer Nikroständer, welcher zum Ende eines jeden Konzertes regelmässig zum Opferkreuz umfunktioniert wird.

Um in der knappen Spielzeit von nur 40 Minuten möglichst wenig Fans vor den Kopf zu stossen, verlegten sich Das Ich in der Folge auch nicht auf das runterleiern der aktuellen Platte. Vielmehr spielten Sie ein sehr kompaktes Festivalset, in dem die wichtigsten Stationen und Klassiker enthalten waren. So ging es nach der Eröffnung "Kindgott" gleich weiter mit "Schrei" über "Kain und Abel", "Sodom und Gomorra", bevor man in der zweiten Hälfte "Fieber" vom aktuellen Album platzierte und mit "Garten Eden", "Gottes Tod" und der Zugabe "Destillat" den Sack zuschnürte.

Wie so oft bei Konzerten von Das ich war es aber weniger das "Was" sondern mehr das "Wie", das das Konzert zu etwas besonderem machte! Von Kopf bis Fuss in diablisches Rot gehüllt, bot vor allem Stefan Ackermann eine Show der Weltklasse. Grimassenschneidend, balettierend und hüpfend wie ein Springteufel ließ er nichts unversucht den Songs ein zusätzliches Gesicht zu geben und speziell seine Performance bei “Gottes Tod”, hätte so mancher Konfirmandenschwester einen Schauer des Entsetzens über den Rücken gejagt.

Doch auch die anderen Herren waren nicht ganz untätig. Während Bruno Kramm hauptsächlich die zweite Gesangsstimme gab und dabei seine neckischen Pipi-Langstrump-Zotteln umher wog, war Kain auf der gegenüberligenden Krakenende fürs Grobe am Start: Keifend und Brüllend moschte er hinter seinem Arbeitsgerät ab und tat damit das, was eigentlich die Aufgabe des Publikums gewesen wäre, feiern. Doch in der Stadthalle tat sich bis auf die ersten Reihen nur sehr bedingt ein Partywunder auf. Lediglich “Destillat” und vielleicht noch “Fieber” konnten den Pöbel ein wenig aus seiner weihnachtlichen Gänsebratenlethargie reißen. Die Show vom Ich war dadurch aber nicht minder sehenswert und markierte das erste größere Highlight des Abends.

 Terminal Choice:

Dass man auch auf einem Gothic-Festival zu Weihnachten nicht vor Überraschungen gefeit ist, demonstrierten als nächstes die Berliner Electrorocker Terminal Choice und bescherten dem DarkStorm Publikum seinen ganz privaten Weihnachtsmann:

Kaum war nach dem Umbau das Licht auf der Bühne erloschen, vermutete die randgefüllte Stadt den Beginn des Konzertes. Doch weit gefehlt. Aus der Stille des Raumes erschallte ein eigenwilliger Rhythmus gepaart mit einer nur allzu bekannten Kinderstimme: "Schnappi, das kleine Krokodil" trällerte die kleine Joy (natürlich vom Band) und ließ die harten Gruftieseelen dahinschmelzen wie ein Stück Butter in der prallen Sonne. Plötzlich war Stimmung in der Bude und jeder konnte den Text ;) Naja ok nicht jeder, aber ein riesen Spaß wars trotzdem.

Mit diesem stimmungsgeladenen Rammbock vorneweg hatten es Chris Pohl und seine Herren nicht wirklich schwer einen Einstieg in ihre Show zu finden. Das Publikum noch emotional mit runtergelassenen Hosen.vorfindend, platzierten sie mit Collective Suicide einen ordentlichen Schuss vor den Bug und schon war die müde Meute willig! Der Rest des Konzertes ist eigentlich schnell schnell erzählt. Chris, Louis, Gordon und Jens hatten sich für heute ein festival taugliches Set zusammengestrickt, dass Sie für ihre Fans nun eine knappe dreiviertel Stunde lang abarbeiteten.Dabei hatten Sie einige aktuelle Songs der Menschenbrecher LP ausgewählt, wie "Injustice" oder "Be Like Me" und natürlich auch etwas aus der Mottenkiste, wie beispielsweise "Animal". Bei letzterem klinkte ich mich dann zwischenzeitlich aus, um einmal in den kleinen Saal zu schauen, wo gerade "davantage" zu Werke gingen...

 Davantage:

Die einzigen Local Heros des Abends, davantage stammen ursprünglich aus Chemnitz, hatten es sich derweil auf der Nebenbühne richtig gemütlich gemacht. Die überschaubare Kulisse des kleinen Kongressaals, welcher immernoch geschätzte 600-800 Leute fassen mochte, war mit rund 200 EBM-Heads zwar eher leidlich gefüllt, doch in Anbetracht des musikalischen Rahmens war das auch mehr als gut so. Das Trio auf der Bühne, angeführt von Sänger Kai Härtel machte ziemlich zünftig einen auf EBM-Stampfer und verwandelte somit den unmittelabren Raum hinter der Absperrung zur weitläufig zu meidenden Zappelzone, in der so etwa 50 tanzwütige Electrofreaks die gänze des verfügbaren Raumes für sich vereinnahmten und mit weitläufigem Bewegungen den Eindruck erweckten als hätten Sie in der letzten Schulsportstunde einen Kurs im Skilanglauf belegt. Da wurde schon mächtig getanzt auf der Fläche und im Gegensatz zum Großen Saal standen hier die Leute nicht herum wie die Preßwürste.

Über die Güte der Musik will ich nicht allzu viele Worte verlieren, da ich zum einen nur 10 Minuten der davantage-Show gesehen hab und daher einen eher oberflächlichen Blick auf das Geschen werfen konnte. Was ich sah roch aber nach solider Genre-Unterhaltung die man problemlos in jeder Dunkeldisko spielen kann.

Und nun zurück zu Lück..äh..Pohl

 Terminal Choice II:

...Wieder im großen Saal angekommen hatte ich zunächst einmal Probleme mir einen halbwegs anständigen Platz in der Menge zu sichern, weshalb ich mich dann dazu entschied den Rest des Konzertes lieber aus der letzten Reihe zu beobachten. Von dort aus fiel mir dann erst richtig auf, mit welcher Energie Herr Pohl heute an den Start gegangen war. Er machte sich die gänze Bühne zu eigen und setzte der stimmlichen Aggresivität einen entsprechenden Aktionsradius entgegen. Somit fiel der "Rock Star" dann auch etwas rockiger aus als sonst und mit Menschenbrecher reihte sich noch ein schönes Partyzündi hinten an.

 Crematory:

Pünktlich zur Festivalhalbzeit schlug nun wieder die Stunde der Metalfraktion. Und dieses mal sollte es Dicke kommen! Knut Wuchtig Felix Krull und seine Mannen machten keinen Hehl daraus, wer einmal Deutschlands Gothic-Metal Band Nummer 1 war und zeigten sich nach ihrem 3 jährigen Pseudosplit hungrig auf neue Taten:

Hart, melodisch und unheimlich druckvoll haute die Truppe ihrer Chemnitzer Fraktion die Riffs um die Ohren und setzte auf starke optische Präsenz. Vor allem Felix, dessen Grabesstimme wie Blei aus den Lautsprechern prasselte, trug sein "Punisher" T-Shirt absolut zu recht. Es hatte schon was, zu sehen wie der Metal-Koloss Bühne und Publikum für sich vereinnahmte und dabei aussah wie ein hoch zu Ross in die Schlacht gallopierender Wikinger (und das ist jetzt nicht despektierlich gemeint). Da spürte man förmlich der Mann hat seine Sache hier im Griff...der weiß wo´s lang geht.

Die Songauswahl gestaltete sich wie bei den bisherigen Shows des heutigen Tages auch als Kompromiß. Neben einigen Songs der aktuellen Scheibe "Revolution", u.a. “Greed”, “Tick Tack” und “Revolution”, rumorte es auf Seiten der ehemaligen Single "The Fallen", dem Dauerbrenner “Tears of Time” und dem abschließenden Sisters of Mercy-Cover vom “Temple of Love” gewaltig. Ob letzterer Titel allerdings nun unbedingt Not getan hätte, sei mal dahin gestellt. Da haben Crematory eigentlich bessere Eigenkreationen am Start. Wie dem auch sei, im großen und ganzen bildete sich aus dem Gespielten eine recht hörbare Mischung.

Was hingegen etwas nervte, waren Felix´ bekloppte Nörgeleien zum Thema Spielzeit, die er geradezu nach jedem Titel vom Stapel ließ und damit unnötige Hektik verbreitete, die der Stimmung des Konzertes nicht gerade gut taten. Da konnte er noch so viel "Stille Nacht" singen. Diese Scharte saß tiefer! Nichts desto trotz konnten Crematory als einzige wahre Metalband auf Chemnitzer Boden heute gut punkten und zählten geradewegs zu den angenehmen Erscheinungen des Abends.

 And One:

Weitaus weniger angenehm gestaltete sich hingegen das, was die drei Herren von And One in den vergangenen Wochen und Monaten über ihre hauseigene Webseite publizierten: Hatte man sich schon auf der Tour im Frühjahr weit aus dem Fenster gelehnt und als Intro eine Kriegsrede mit der Stimme von Gerhard Schröder verlesen lassen, erreichten die derzeit immer noch im Netz befindlichen Entführungsfotos der Band, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Irak entgültig die Grenzen des guten Geschmacks.

Entgegen dieser kleineren und größeren Aufreger präsentierten sich Chris Ruiz Gio van Oli und ihr “capo di tutti capi”, Steve Naghavi, aber heute unversehrt ihrem Publikum und gingen durch die Bank auf Schmusekurs. Zumindest zeugte ihr gewähltes Set von einer gewissen Mäßigung: Anstatt mit der Electro-Dampframme ins Haus zu fallen, fuhren And One die poppig tanzbare Schiene und brachten nach dem coolen Opener “Speicherbar” und einem neuen Titel den Saal mit Titeln, wie Get you closer, der allseits beliebten “Deutschmaschine”, “Second Voice” und dem immer wieder gern genommenen (1,2,3) “Technoman” zum Kochen.

Darüber hinaus tobte sich Tanzminator “Steve” zu Wasted mit einem eingeschobenen Personal Jesus Cover depechemodig aus und ließ beim Hocken vor dem “Fernsehapparat” “Couchpotato Chris” den gesanglichen Vortritt. Apropos Chris. Neben Steve war auch er heute wieder ein höchst aktiver Bühnenposten und wieselte in gebückter Haltung von einer Ecke in die nächste, während Kollege Gio die Rolle des unauffälligen oder besser gesagt "STILLEN" Arbeiters übernahm.

Obwohl Zugaben auf Festivals ja nicht der Regel entsprechen, durften And One als Co-Headliner natürlich einen kleinen Nachschlag verteilen. Und so endete das Konzert nicht mit Steves klassischen Worten des Mario Ohoven-Zitats "Ich muss weg", sondern ging mit Krieger (inklusive Sweet Dreams von Eurythmics), gefolgt von einem doppelstöckigen 80er Medley als Schocktherapie für die letzten im Saal verbliebenen Partymuffel munter in die Verlängerung. Was trotz vieler positiver Schwingungen an diesem Abend bei And One jedoch ein wenig gefehlt hat, waren die deftigeren Stücke aus der EBM-Liga, wie Panzermensch und Co. Vor allem der vom Publikum lautstark geforderte "Strafbomber" riss eine klaffende Lücke ins ansonsten farbenfrohe Set, was schade war. So einen Selbstläufer lässt man m. E. nicht einfach aussen vor, auch wenns heute ohne geklappt hat.

 Project Pitchfork

Eine knappe halbe Stunde vor Beginn des letzten Gefechts herrschte im großen Saal erstmal die Landflucht. Bis auf den harten Kern der ersten Reihen strömten die meisten Besucher nach Erfrischujng dürstend in Richtung Thekenbereich und versuchten sich mit Bier, Cola und ein wenig frischer Luft für den Hauptgang des Abends, Project Pitchfork, aufzupäppeln. Pünktlich zu Konzertbeginn stand die Halle dann aber wieder Gewehr bei Fuss und erfreute sich eines beachtlichen Füllstatus, der so ansatzweise die Zweieinhalbtausendermarke anvisierte.

Auf der Bühne indes vedunkelte sich NUN das Szenario und der letzte Gig des Abends nahm seinen Lauf. Doch von einem normalen Konzert der Gruppe Project Pitchfork zu sprechen würde dem was da in den kommenden knapp 90 Minuten geboten wurde nicht mal im Ansatz gerecht. Das ging schon bei der Bühnendekoration los. Wo And One vorher noch mit ihren bekannten Buchstaben dem Zuschauer unmißverständlich Mitteilten, wer ihm da gegenüberstand, wählten Pitchfork einen anderen Weg. Links und rechts von Großen Logotransparenten eingefasst, erstrahlte nun inmitten der Bühne eine große Scheinwerferwand im Stile einer Lichtorgel, die erst schwach, dann immer stärker die Buchstaben PP in die Dunkelheit warf. Umspült von stimmungsvollem Nebel entstand so eine leicht entrückte Atmospähare in der die Protagonisten heimlich still und leise hinter ihre Instrumente schlüpften, dicht gefolgt von Peter Spilles, dessen Erscheinen für einen mittleren Wirbelsturm im weiten Rund sorgte. Aber was war das?!?

Verdutzt rieb ich mir die Augen als ich sah, dass Spilles´ Tante Petra kürzlich den Weg zum Friseurladen gefunden und ihre wallende Lockenpracht gegen einen zackigen Kurzhaarschnitt mit Mitteliro eingetauscht hatte, nur um nun wie ein frischpolierter Penny von der Bühne zu strahlen und zu sagen: “Schaut mich an...ich bin es wirklich!”

Nundenn, nach diesem kleinen Schock konnte das Konzert ja eigentlich nur noch gut werden. Und das tat es dann auch: Fernab jeglicher tourspeziefischer Korsagen, die in der Vergangenheit schon oft für harsche Kritik unter den PP-Anhängern gesorgt hatten, spielten Pitchfork ein hochexplosives Alternativprogramm in dem sich sogar einige neuvertonte Klassiker aus der zweiten Reihe wiederfanden, was die echten Fans zu wahren Begeisterungsstürmen hinriß. Es war deutlich spürbar, wie es besonders zu Beginn der Show in den ersten Reihen rumorte als “Lam´Bras” den Abend eröffnete und das tanzbare “Daimonion” sowie die mitreißenden "God Wrote" und "Carnival" die Brücke zum Chakra:Red-Hit “December Sadness” schlugen, dicht gefolgt von einer aufpeitschenden Live-Version von “Revolution Now “aus alten Alpha Omega-Zeiten.

Entgegen einiger anderslautender Meldungen aus Forumskreisen gestaltete sich das Pitchfork Konzert alles andere als moodig und chillig, weshalb meine vorherige Vermutung, dass es heute zu einem waschechten Stille-Nacht-Weihnachtskonzert der besinnlichen Art kommen würde nicht bestatigten. Ganz im Gegenteil! Nach der eher introvertiert ruhigen NUN-Phase, legten Pitchfork heute ein höllentempo vor dem viele der Besucher sowohl konditionell als auch musikalisch nicht mehr ganz folgen konnten. Infolge dessen setzte etwa zur Halbzeit ein deutlich zu verzeichnenender Besucherschwund ein, von leuten denen entweder die Puste ausgegangen war, oder die mit der retrospektiven Songauswahl nichts anzufangen wussten. Und so war “Timekiller” das letzte Stücke das noch vor halbwegs kompletter Kulisse zelebriert wurde.

Nichtdestotrotz ließen sich Peter und seine Jungs, in Person von Dirk "Scheubi" Scheuber Jürgen Jansen, Carsten Klatte und Achim Färber, nicht beirren und hauten dem "harten Kern" weiter mit vollem Elan ihre musikalischen Weihnachtspräsente um die Ohren, wobei vor allem die Akustikfraktion in Person der Herren Färber und Klatte in der zweiten Konzerthälfte aufs Äußerste gefordert waren. Wo Peter bereits das gesamte Konzert über mit einer auffallend aggressiv-emotionalen Sangesweise für Adrenalinschübe gesorgt hatte, reihten sich nun Schlagzeug und Gitarre nahtlos ein und kreierten aus der Songkombination "Rush, Mine (Beast of Prey), I Am, Fire & Ice und Rescue Me" eine "schöne Bescherung" und gleichzeitig das wohl härteste und
rockigste Pitchfork-Konzert seit Jahren.

Nassgeschwitzt nach Frischluft ringend, ging es daher erstmal in eine kurze Verschnaufpause, als sich die Band für 2 Minuten hinter die Bühne zurückzog, um auf die obligatorischen Zugabe-Rufe zu warten. Anders als beim M´era Luna vergangenes Jahr begangen Sie nicht nochmal den Fehler Ihr Set am Stück durch zu spielen, um danach vom nicht mitdenkenden Pöbel für die zuvorkommende Geste der hundertprozentigen Zeitausnutzung ausgepfiffen zu werden. Nein, sowas passierte heute nicht! Stattdessen stapfte "uns Peter" frohen Mutes zurück zu seinem schnörkelhaft verbogenen Daimonion-Style-Mikroständer und adressierte sein Volk mit den Worten: "Hallo wir sinds schon wieder....die Weihnachtsmänner" und fügte passend zum Fest der Liebe an: "Liebet euch! Auf der Stelle!....Ihr schafft das schon irgendwie!". Ähhhm ja...soviel dazu!

Die Zugabe selbst vergriff sich dann nochmal richtig schön am Eingemachten! Das beliebte "Souls" eröffnete den Reigen, gefolgt vom musikalischen Heizkraftwerk "Existence" und “Green World”, welches mit seinen träumerischen Keyboardflächen die aufgewühlten Fanseelen streichelte und somit einen besinnlichen Ausklang dieses ansonsten elektrisierenden, aber nicht für jeden zugänglichen, Pitchfork-Konzerts markierte.

Als kleine Randnotiz sei übrigens noch festgehalten, dass sich etwa zur Konzerthälfte ein kleiner Zwischenfall ereignete, nachdem ein Fan in den vorderen Reihen einen Schwächeanfall erlitt. Das Schlimme an der Situation war weniger der Umstand selbst, als die Tatsache, dass es Peter Spilles sein musste, der die Jungs vom Sicherheitsmuskel darauf aufmerksam machte, sich doch bitte des Falles anzunehmen...("Security könnt ihr hier bitte mal helfen....und zwar schnell"). Selbiger kümmerte sich dann zwar um den Fall, hätte ohne die beherzte Ansage erst deutlich später reagiert, da sich nicht ein Sicherheitsmann direkt vor der Bühne befand, sondern alle Herren brav an die Seite getreten waren, um dem Publikum nicht die Sicht zu versperren.Vielleicht sollte man fürs nächste Mal zumindest einen Mann mit Stuhl postieren, der auf Augenhöhe mit den Fans bei solchen Notfällen reagieren kann!

 Mach ma lös!

Wie dem auch sei, der Abend war damit gelaufen und die verbliebenen Besucher machten sich, vor dem fortschreitenden Flatterband der Security flüchtend, nach einem letzten Umtrunk in der Vorhalle, langsam auf den Heimweg. Lediglich ein kleines Grüppchen Hartgesottener, harrte noch an Sir Henrys Pitchfork-Stand aus um bei einem leckeren Feierabendbier den Sozialen Kontakt mit Gleichgesinnten zu pflegen. Doch auch dies hatte irgendwann ein ende, als ein freundlicher Bediensteter mit Bomberjacke die unmissverständliche Aufforderung zum "lösmachen" sächselte.

Eher wider denn willig liess sich der harte Kern ins nasskalte Dezemberwetter verfrachten und wurde zum Dank mit einer Einlage der besonders obskuren Art belohnt: NOCTULUS!

Der Weihnachtswichtel aus dem Sachsenland, hatte mittlerweile vor dem Portal der Stadthalle seine Zelte aufgeschlagen und beehrte das Volk nun mit einer "mittelalterlichen Blackmetal Performance" in der er sich, zweilfrei nicht unmutig, aber irgendwo doch völlig bescheuert mit seltsam gemurmelten Formeln und irgend einem Gekreische von toten russischen Großmüttern zum Affen machte. Eine schwarze Kutte tragend zitierte er vor einen Kerzenständer postiert aus einem Buch und betrieb Werbung für eine CD-Produktion die im Rahmen des WGT 2005 noch von Bedeutung sein wird. Worum genau es sich dabei handelte ging jedoch im allgemeinen Gegluckse der Dark Storm Besucher unter.

Von diesem Punkt an schaltete mein Gehirn dann auch almählich auf Autopilot. Physisch leicht angeknockt in Form von merklichem Fußweh und Flüssigkeitsverlust vom Feiern im Saunamief ging es zurück zum Ritti Mobil, dass inziwschen reichlich verlassen auf dem vorhin noch gut besuchten Parkplatz stand und zu meinem Schrecken nicht rundum abgeschlossen war! Ein erster Moment der Panik erwies sich aber als unbegründet, da noch alle Gegenstände an ihrem Platz lagen. Nach einer kurzen Verschnaufpause und einem wohlverdienten Red Bull lautete das Motto: Kopfüber in die Nacht und ab zurück auf den 400 KM langen Heimweg.

Morgens um halb 6 fand eine lange und ereignisreiche Nacht ihr Ende! Das Dark Storm Festival 2004, indes war absolut eine Reise wert und überzeugte trotz seines konditionell schwächelnden Publikums mit einem großartig gewählten Austragungsort und sehenswertem Programm!

So und nun wünsche ich noch ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest!

Bis zum nächsten Mal...

...euer Ritti!

Und hier gibts die Fotos vom Festival!