Folge 40 - 11.04.2004 - Dark Generations Festival (Braunschweig- Jolly Joker):

Hallo und Herzlich Willkommen zum großen Osterspecial von Rittis Feierabend!

Wie versprochen, steht diese Ausgabe ganz im Zeichen des Dark Generations Festivals, welches am Ostersonntag zum ersten Mal im Braunschweiger „Jolly Joker“ über die Bühne ging und mit Bands wie „In Strict Confidence“, „Clan of Xymox“ oder „Funker Vogt“, um die Aufmerksamkeit, des zur Eierzeit heiß umworbenen Publikums buhlte. Und da sich gleich 8 musikalische Häppchen aus den Sparten Gothic, Mittelalter und EBM angekündigt hatten, standen die Chancen nicht schlecht, dass dieses Unterfangen gelingen konnte.

Als ich gegen kurz nach drei Uhr in Richtung „Jolly“ stapfte, war ich guter Dinge bezüglich eines beschwingten Tages und sah erwartungsfroh einigen Bands entgegen, deren Live-Show zu erleben ich bisher noch nicht das Vergnügen hatte. Gemeinsam mit etwa 100 weiteren Frühstarter wartete ich daher vor dem Eingang der umgebauten Scheune auf den Beginn des obligatorischen „Sesam-Öffne-Dich“ Rituals. Doch genau dies ließ seltsamerweise auf sich warten. Minute um Minute verrann, bis schließlich ein freundlicher Herr von der „Sicherheit“ seinen Kopf aus der Pforte steckte und verkündete, dass man sich noch etwas Gedulden müsse, weil der Saal gerade gereinigt würde.

Während ich mich ernsthaft fragte, ob entweder tags zuvor jemand die Bude auseinander genommen oder einfach nur die Putzkolonne über Nacht versumpft war, gab es plötzlich außerplanmäßige Unterhaltung:

Ein lustiger Mensch von der Hauscrew tauchte mit seiner Trittleiter auf, stellte sie unter das Eingangsschild und hängte unter dem lautstarken Gefeixe der Anwesenden mal eben den Abendkassenpreis von irrtümlich 25 auf 27 Euro höher, während hinterrücks die Jungs von In Strict Confidence unter dem deftigen Kommentar eines Besuchers „Ey die erste Band haut schon wieder ab“ erst mal zur Kaffeefahrt durch Braunschweig (oder was auch immer) abrauschten. Mit einer knappen Stunde Verzögerung öffneten sich dann endlich die Tore und so hieß es für die wartenden Besucher „Hinein sprach Wallenstein“.

Einmal ins Allerheiligste vorgedrungen, warteten dort neben den Ständen und Buden des Jolly Joker auch die mit ISC-Aufbau bestückte Bühne, sowie eine kleine Händlermeile mit Schmuck-, Kleidungs- und Plattenladen entdeckt zu werden. Außerdem hatte man im „Rolling Stone“, der etwas versteckt liegenden Nebenhalle des Jolly ein Pult mit Sitzecke aufgebaut, welches später den beiden Gastlesern „PeeWee Vignold“ (Sonic Seducer) und „Myk Jung“ (The Fair Sex) abwechselnd als Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Bevor die beiden Märchenonkel zu Tat schreiten konnten, war es an der Zeit für den musikalischen Opener des Tages, Zadera!

 

 Zadera:

Schlag 16:30 machten sich die beiden Jungs und Mädels aus dem nahe gelegenen Magdeburg für ihren Auftritt bereit. Nach mehreren Lineupwechseln in der Vergangenheit inzwischen als Band formiert, präsentierten sich Zadera in Person von Conny (Gesang), Michel (Gitarre), Peter (Bass) und Jenny (Schlagzeug), als durchaus aufgeweckte Schrammelrocktruppe, die sich entgegen jeder ritterlichen Bathöhlenallergie durchaus erträglich in meine Gehörgänge spielten.

Laut, rotzig und reichlich verpunkt präsentierte das Quartett knapp ein halbes Dutzend Songs ihres Demoalbums „Feeding the Worms“, ohne einem (wie manch anderer Vertreter des Deathrock / Batcave Genres) nach drei Minuten auf die Nüsse zu gehen. Es hat eben immer noch seine Vorteile wenn die Frauenstimme am Mikro von einer Frau dargeboten wird und nicht von einem schwulen toten Matrosen mit rosa Pünktchen auf der Wange.;D

Was die Bühnenshow anbelangt, meisterten die Magdeburger ihre Aufgabe durchaus souverän, wenn auch ziemlich wortkarg: Nachdem Sängerin Conny sich zunächst noch über das „zahlreiche Erscheinen der Besucher zu früher Stunde“ bedankte (und gemessen am Bekanntheitsgrad der Band waren durchaus ein paar Männeken zugegen), hatte sie nicht allzu viel zu verkünden. Ein knappes „Danke“ zwischen den Stücken musste reichen, bevor sie bei Songs wie „Only for me“ wieder von der zierlichen Gruftprinzessin zur männermordenden Nina-Hagen Verschnitt explodierte.

Alles in allem lösten Zadera die undankbare Openerrolle solide und konnten mit Sicherheit den ein oder anderen Festivalbesucher auf sich aufmerksam machen. Aus den Socken gehauen haben sie angesichts des elektrolastigen Restprogramms kaum jemanden!

 

 Adorned Brood:

Die nächste Band, Adorned Brood, hatte es daher nicht minder schwer beim vorwiegend elektronisch gepolten Publikum zu landen. Powered by „Erdenkraft“ machten sich die Jungs und das Mädel aus dem Rheinland jedoch unverdrossen ans Werk, um die knapp bemessene Spielzeit von 30 Minuten möglichst formatfüllend Auszuschlachten. Minisoundcheck und Hauruckaufbau hurtig hinter sich gebracht, eröffnete die wohl rockigste Formation des Tages ihr folk- und mittelaltergeprägtes Saitenspiel mit dem musikalischen Willkommensgruß „Welcome our Friends“.

Gerade erst durch ihren neuen Gitarristen Thorsten wieder komplettiert, legte die Truppe um Frontpelz „Frost“ (...und der hat vielleicht eine Matte!!!) ihr Hauptaugenmerk auf das letzte Album „Erdenkraft“. „Lebenslied“, „Erdenkraft“, „Göttersehnsucht“ lautete die gespielte Reihenfolge, bis mit „Lauf mein Engel“ auch ein neues Stück gehör fand, bei dem Kellogg´s Frostie ( ;) ) mächtig aufdrehte und mit kreischenden Vocals seinen ganz persönlichen Tiger aus dem Tank ließ. Unterstützt wurde Frost dabei von seinem gesanglichen Konterpart Ingeborg Anna, die abwechselnd an Flöte und Gesang der felsigen musikalischen Schale einen weichen Kern verlieh.

Leider hatte ein Großteil des Publikums so seine Schwierigkeiten mit den kantigen Songs der Broodler. Lediglich eine Handvoll langmähniger Matteschwinger, hatte den Sinn der Veranstaltung begriffen und spielte nun unweit des Bühnengrabens nach Herzenslust Ventilator, während die meisten anderen nur unbeteiligt herum- und musikalisch betrachtet „Bahnhof“ verstanden.

Sinnbild für die leicht gestörte Kommunikation zwischen Band und Publikum war vor allem ein Stück dessen Titel mir nicht genau bekannt ist (Felide oder so). Kompliziert wie Musik manchmal sein kann, baute die Band am Schluss einige Breaks ein und ehe man sich versah, war die Nummer zuende, ohne dass es irgend jemand merkte. Die Konsequenz: ein Saal voll mit halbwegs bedeppert schauenden Schwarzträgern, die regungslos die Bühne anstarrten, bis Frost amüsiert klärte „Der Song ist jetzt zuende!“. Und dann gab es auch Applaus!

Mit diesem sympathischen Schmunzler im Gepäck folgte bereits das letzte Gefecht: „Wiederkehr“ vom Album „Asgard“ stand auf dem Programm und beschwor den Geist früherer Zeiten, bevor die „Gesegnete Brut“ nach einer souverän dargebotenen, jedoch leicht missverstandenen halben Stunde Musik irgendwo zwischen Subway to Sally und kühlem Schwarzmetall das Feld räumte.

 

 Thanateros:

Mussten Adorned Brood eben noch tapfer den Eisbrecher in Sachen Folkmetal geben, gestaltete sich die Atmosphäre für die nachfolgenden „Thanateros“ schon etwas freundlicher. Hinter der gut besuchten Bühne machten sich Ben Richter und seine Mannen bereit, um in wenigen Sekunden das mit Rinderköpfen und Tüchern verzierte Geläuf zu entern, während bereits das Intro „Celtic rising“ in bester Braveheart Manier auf die bevorstehende Show einstimmte.

Hatten sich Thanateros nach ihrem ersten Album „The First Rite“ einer musikalischen Radikalkur unterzogen und waren mit „Circle of Life“ weg vom Industrialrock und hin zum waschechtem irisch beeinflusstem Folkmetal marschiert, stand auch die heutige Show ganz im Zeichen von Flöte, Geige, Bodhran. Und scheinbar hatte sich die Truppe während ihrer Supporttour mit In Extremo 2001 nicht nur musikalisch einiges bei den Berliner Brandstiftern abgeschaut. Denn die Band glänzte Ihrerseits nur mit flotten Rhythmen sondern gleichfalls mit einer spektakulären Show zwischen Ritualkunst und heißem Flammenzauber. Aber dazu gleich mehr!

Musikalisch mit „Tir Na n´Og“, „Falling Away“, “So High” oder dem Pogohüpfer “Bas Agus Gra” fast ausschließlich auf ihr aktuelle Album konzentriert, hatten Thanateros gemäßt ihrer vorherigen Ankündgung auch die neue Single „Unchanging“ im Programm, welche wie ihr Name besagt, keinen neuerlichen Richtungswechsel mit sich brachte, sondern den Eindruck erweckte, dass die ausgeklügelte Mixtur aus rüstigem Rock und flockigem Folk auch bei der kommenden Studiosession der Band keine unbedeutende Rolle spielen dürfte.

Zu den Highlights des Konzerts zählte aber vor allem die „Ode an des Hohe Selbst“, „Over the Rim“, zu der Oberröhre und Hobbyschafträger Ben sein Publikum aufforderte, ein wenig näher an die Bühne zu treten, um bei vorhandenem Interesse dem folgenden Ritual beizuwohnen. Dieses Ritual, wenn man es denn so nennen will, bestand darin, dass Herr Richter ein Schälchen mit brennendem Kraut gereicht bekam und mit einem Fächer den aufsteigenden Rauch in alle Himmelsrichtungen entsandte. Danach hüpfte er mitsamt der Schale in den Bühnengraben und ließ alle Freiwilligen an einer kostenlosen Seelenreinigung partizipieren. (Als Teilnehmer an dieser Aktion kann ich indes berichten, dass ich noch lebe und dass der Rauch etwas nach Eukalyptusbonbons roch!)

Kaum hatte sich der Sänger wieder auf der Bühne eingefunden, ging das Spektakel auch schon weiter: Ein Pärchen enterte die Bühne, dass sich in bester Fakir Manier selbst an Armen und Beinen mit Flammen entzündete und dabei keinerlei Mine verzog. Dazu übte sich ein weiterer Artist im Feuerschlucken, als er zwei große Flammenfächer Nach und Nach an seinen Mund führte und die kleinen Flammen an den Enden praktisch Aufaß. Optisch reizvoll und passend zum getragenen Tempo des Songs, bauten diese Bilder eine unglaubliche Atmosphäre und Faszination auf, der man sich kaum entziehen konnte.

Obwohl das Publikum bei den kraftvolleren Thanateros Titeln allmählich aus der Hüfte kam, war die Stimmung insgesamt immer noch sehr gedämpft. Es schien so, als würde Braunschweig auf irgendetwas bevorstehenden warten. Dies war Herrn Richter natürlich nicht entgangen, und so holte er zum verbalen Arschtritt aus und gestand ehrlich „Ihr seid ganz schön lahm!“. „Als nächstes kommt ein Song den ihr bestimmt kennt“ tönte er darauf, um wenig später ein verschmitztes „Dirty Old Town“ ins Mikro zu schmettern.

„Turn the Tide“ machte den Sack zu und mit den Worten „Viel Spass noch mit den anderen Bands!“ sowie dem gut gemeinten Rat der Marke „Macht mal ein bisschen mehr!“ empfahlen sich Thanateros aus der Pflicht. Somit fiel der imaginäre Vorhang für eine optisch wie akustisch spektakuläre Vorstellung, die für meine Begriffe das heimliche Highlight des Festival war.

 

 E-Craft:

„Eben noch im Mittelalter, jetzt schon auf unsere Hebebühne“ lautete das Motto der nun folgenden Show. Mit der Zeitmaschine direkt vom tiefsten Mittelalter hinein in Gegenwart und ferne Zukunft gebeamt kam der nächste Programmpunkt des Tages einem musikalischen Zeitsprung gleich als mit „E-Craft“ die erste Electrokapelle des Tages die Bühne enterte. Und die Jungs von der elektrokörperlichen Ertüchtigungstruppe hatten mächtig aufgefahren, soviel sei schon mal verraten!

Versteckt hinter liebevoll verunstalteten Keyboards, die aussahen wie Starkstromtrafos aus ´ner elektrischen Umladestation, wurde mit Schmackes auf tonnenschwer donnernde Drumpads eingedroschen, während der muskelbepackte Frontmann wie ein Derwisch auf die Bühne stürmte und mit der Theatralik eines US-Proficatchers munter drauflos posierte. Vom sterbenden Kranich, bis hin zum grantelnden Armeeschleifer war alles dabei!

Scheinbar war es aber genau das, worauf Braunschweig gewartet hatte. Schlagartig hatte sich das Publikum Ben Richters eben gesprochene Worte zu Herzen genommen und „machte nun mal mehr“...und zwar viel mehr! Bis zur hälfte des Saals gab es für die Befürworter von „E-Craft“ kein halten mehr! Extrem ausgelassen aber zu keinem Zeitpunkt aggressiv wurde getanzt, dass einem beim bloßen hinscheuen eine Gänsehaut über den Rücken laufen konnte. Jetzt war Energie, war Feuer unterm Dach, für das die 40 Minuten Starkstrom-EBM Geballer von der Bühne niemals ausgereicht hätten um den angestauten Druck vollständigen zur Entladung zu bringen. Daher versuchten E-Craft mit originellen Anfeuerungsrufen die Leute noch weiter aus Reserve zu locken. Denn die Formulierung: „Ein bisschen mehr Ballett bitte!“ habe ich persönlich auch zum ersten Mal gehört.

Auch wenn sich E-Craft in punkto Live-Show zuweilen wie die Düstervariante von Scooter präsentierten, machte es Spaß Ihnen zuzuschauen. Der Rhythmus wo man mit muss beherrschte das Geschehen im Jolly Joker und mit rasantem Tempo verstrich die Zeit. Mit Blick auf Funker Vogt waren die Eisenhüttenstädter sicher eine Optimalbesetzung für dieses Festival!

 

 Secret Discovery:

Die nächste Band des Tages lockte wieder mit handgemachteren Klängen. „Secret Discovery“ aus Bochum standen auf dem Programm, die nach zwischenzeitlichem Split bereits seit Januar 2004 ihr Comeback feiern und heute samt neuem Album „Pray“ antraten, um ihren Status als Top-Adresse in Sachen Gothicrock zu verteidigen.

Showtechnisch eher von der schlichten Sorte (es passierte nichts, außer dass Musik gespielt wurde), mühte sich die Band um das Brüderpaar Hoffmann (Gesang und Gitarre) ihre knapp bemessene Spielzeit möglichst optimal auszufüllen und neben Hits der aktuellen Scheibe auch alte Kracher nicht zu vernachlässigen. So setzte es nach dem Opener „Colour my life“ nicht nur das grandiose Mel C Cover „I turn to you“ sondern auch den Titeltrack des neuen Albums „Pray“, „Mystery Land“ und noch so einiges mehr, bis der Gassenhauer „Hello Goodbye“ den Deckel aufs musikalische Töpfchen setzte.

Zusammenfassend betrachtet, boten Secret Discovery somit eine solide Vorstellung: Musikalisch mit einigen Glanzpunkten am Start (Beispiel: „I turn to you“) gestaltete sich die Bühnenperformance etwas glanzlos und wirkte daher ein wenig „abgespult“. Da es als Gothicmetalband heutzutage nicht mehr ganz leicht ist, sich vom Gros der Masse abzuheben ging das Konzert aber in Ordnung!

 

 Funker Vogt:

Kaum war die musikalische Geheimaufklärung (Secret Discovery) abgeschlossen wertete der militärische Nachrichtendienst von Funker Vogt fieberhaft die gesammelten Daten aus, um den bevorstehenden Feldzug seiner Truppen strategisch vorzubereiten. Da die Spezialeinheit der Elektrokrieger mit Frank Schweigert einen neuen Gitarren-Rekruten ins Team bekommen hatte, wollte das Vorgehen wohlüberlegt sein, denn schließlich wollte man den Jungspund nicht gleich bei seinem ersten Kampfeinsatz als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld verheizen. Zur Minimierung der eigenen Verluste ordnete Erstschlagsgeneral Gerrit einen taktischen Luftschlag an, bevor er seine Bodentruppen auf das Feld schickte.

Um Punkt 21:45 Mitteleuropäischer Zeit erklärten Funker Vogt dem Jolly Joker den Krieg und ab 21:46 Uhr wurde standesgemäß zurückgeschossen! Jaulende Alarmsirenen brüllten auf und aus den dunklen Rauschwaden auf der Bühne schälten sich vier Krieger mit Rucksack und Harpune...äh Gitarre um aus vollen Rohren ballernd zum Sturm auf Braunschweig zu blasen.

Allen voran Colonel Kästel, der im Gegensatz zu seinen Kameraden völlig ohne Tarnanzug und schusssichere Weste dem Dauerfeuer aus dem Schützengraben trotzte, während er mit „Tragic Hero“ und „Final Thrill“ die ersten Gute-Laune-Sprengsätze deponierte. Möglich war dies vor allem, weil Seargent Björn, Codename „The Green Smurf“, aus der Deckung heraus unentwegt mit Spaßgranaten (Überraschungseier) schmiss und so ein perfektes Ablenkungsmanöver startete.

Im Gegensatz zu manch anderer Band am heutigen Tage, machten Funker Vogt auf ihrem Triumphzug der guten Stimmung keine Gefangenen und semmelten wie zuvor E-Craft alles um, was nicht bei drei auf dem Baum war! Egal ob „Date of Expiration“, „Maschine Zeit“, „History“ oder „Gunman“ gespielt wurde, das Publikum folgte den Funkern blind und nahm es amüsiert zur Kenntnis, dass wenigstens eine Band an Ostern gedacht und dem Hasen sein Eier aus dem Nest geklaut hatte, um sie wahllos in die Menge zu feuern. Doch wie das immer so ist, in jedem lustigen Spiel, gibt es immer auch einen Spielverderber. Und der hörte in diesem Fall auf den Namen Zeit!

Was zunächst begann wie ein schlechter Scherz entpuppte sich kurz darauf als blutiger Ernst: Gerade als es richtig Spaß machte, Funker Jens zum Mikro greifend behauptete „Wir machen jetzt nur noch Westernmusik“ und auf den „Motherfucker“-Ruf eines Besuchers verschmitzt „So, ich glaube unsere Zeit ist um“ entgegnete, wurde aus Spaß Ernst Ein letztes Stück durfte es noch sein, bevor sich Funker Vogt viel zu früh und gänzlich unfreiwillig vom Braunschweiger Publikum verabschiedeten. Nur 40 von 60 geplanten Minuten gespielt, kehrte Jens jedoch noch kurz zum Mikro zurück um zu erklären, dass er gerne noch eine halbe Stunde gespielt hätte, es aber nicht dürfe. Inwieweit dies mit dem stark verzögerten Zeitplan zusammen hing sei jetzt mal in den Raum gestellt.

Fakt ist jedenfalls, dass Funker Vogt einen tollen Auftritt hingelegt hatten, der von A-Z ins Bein ging und durchweg überzeugen konnte. Von den drolligen Militärkostümen der Band mal ganz zu schweigen.

 

 Clan of Xymox:

Es gibt zwei Schöne Sprichworte die lauten „Wie gewonnen so zerronnen“ und “Alte Leute soll man nicht hetzen”! Beide schienen auf das bevorstehende Konzert der niederländischen Goth-Oldies Clan of Xymox zuzutreffen. Die eben noch mühevoll von Funker Vogt aufgeholten Minuten wurden jedenfalls gleich wieder durch einen ausgedehnten Changeover verheizt und so dauerte es fast eine dreiviertel Stunde bis Ronny Moorings und seine Band mit den Worten „Hello Braunzweig“ ins Rennen gehen durften

Eingerahmt von “There´s no tomorrow” und „Farewell“ gab es musikalisch dann 45 Minuten lang „Oldschool meets Moderne“ zu hören, wobei das aktuelle COX Albums „Farewell“ klar im Mittelpunkt stand aber mit „Jasmine & Rose“ und „A day“ auch ein paar alte Kracher aufgelegt wurden. Auf diese Weise gaben sich Elektroböller und Gothgitarre die Klinke in die Hand, während Ronny Moorings mit tiefgestimmtem Organ die Massen beschwörte.

Alles in allem war es eine souveräne Show die das Quartett aus dem Land der Tulpen ablieferte, bei der das Publikum trotz schwindender Kräfte ganz ordentlich mitzog.

 

 In Strict Confidence:

Trotz arg vorgerückter Stunde, man könnte auch sagen, Geisterstunde war im Jolly Joker noch lang nicht Schluss. Immerhin fehlte ja noch der Hauptgang des Abends, In Strict Confidence. Die lustigen Musikanten um Sänger Dennis Ostermann waren inzwischen von Ihrer Lustreise ums Eck zurückgekehrt und enterten gegen viertel vor 1 die in vornehme Dunkelheit gehüllte Bühne. Dabei hatte das Trio heute für personelle Verstärkung gesorgt, und mit Lars, (der vor Kurzem noch mit De/Vision auf Tour war) einen veritablen Live-Gitarristen mit an Bord. Darüber hinaus gesellte sich von Zeit zu Zeit die ehemalige Chandeen-Sängerin „Antje Schulz“ auf die Bühne, um ihren Gastauftritten im Rahmen der aktuellen ISC-LP „Holy“ auch Onstage Rechnung zu tragen.

Da ich In Strict Confidence bis dato noch nie live gesehen hatte, bzw. nur Fragmente von irgendwelchen Festival-Video CDs erhaschen konnte, war ich sehr überrascht, welche Power die Band hier aus ihren bisweilen gemächlichen Electroclubsongs kitzelte. Angetrieben von zackige Drums und Gitarren, konnte man fast den Eindruck gewinnen, jemand würde eine Platte mit 45 Umdrehungen abspielen, während Titel auf Titel in immer neuen, wesentlich druckvolleren Versionen vorgetragen wurde.

Im Mittelpunkt des Geschehens standen wie nicht anders zu erwarten die Songs des aktuellen Albums („7 Lives“, „Emergency“, „Another Night“, „Closing Eyes“ und einige mehr). Gleichermaßen wussten ISC aber auch, was sie Ihren Fans schuldig waren. Auf die Eröffnung „Kiss your Shadows“ folgte „Prediction“ und mit „Engelsstaub“ hatte man mindestens noch ein weiteres As aus dem „vorheiligen“ Zeitalter im Ärmel.

Ungeachtet der Tatsache, dass In Strict Confidence entgegen ihrer sonst so elektronischen Spielartart kräftig rockten, hatten sie es dennoch schwer mit dem Publikum. Die meisten Anwesenden waren mittlerweile total platt und taten gerade noch das allernötigste um ihrer Anteilnahme Ausdruck zu verleihen. Natürlich blieb Ostermanns Dennis das nicht verborgen und so schlug er leicht enttäuscht „Ihr dürft euch ruhig ein bisschen bewegen“  vor und verfügte anschließend herrisch „zum Beispiel jetzt!“.

Für einen kurzen Moment funktionierte das auch ganz Prima, doch kaum war der Anflug von erzwungener Euphorie verflogen, frönte ein Großteil des Publikums wieder dem alten Trott und litt dem gebotenen „Super-Hit-Konzentrat“ mehr entgegen, als dass es feierte. Obwohl durch die vorwiegende Dunkelheit auf der Bühne nicht viel von der Action on Stage zu erkennen war, hatte Dennis sein Publikum voll im Blick und musste kurz darauf erkennen, wie sich einige Besucher während seiner Ansage aus dem Staub machen wollten. Mit „Tschüss“, verabschiedete er die Flüchtenden von der Bühne herunter und gab Ihnen mit auf den Weg „Ach ihr habt doch Eintritt bezahlt, also bleibt gefälligst auch hier“. Und sie taten gut daran, denn mit „Babylon“ (in einer bis zur Unkenntlichkeit verrockten Version) „Another Night“, „Closing Eyes“ und dem Evergreen Clubhammer „Zauberschloss“ folgten erst noch die dicksten Kracher der Show, bis nach einer knappen Stunde der imaginäre Vorhang im Jolly Joker zum letzten Mal fiel.

Doch halt, eine Stunde, letzter Vorhang? War nicht laut Spielplan von einem 85 Minütigen Set die Rede? Irgendwas lief hier nun total schief:

Kaum hatten ISC die Bühne für eine kurze Pause verlassen, fuhr das Licht hoch und aus den Boxen schallte Konservenmusik vom Band. Verunsichert nach einer Zugabe rufend stand das Publikum perplex da, als plötzlich ein ziemlich genervter Dennis Ostermann zum Mikro eilte um zu verkünden, dass ISC keine Zugabe mehr geben durften. Doch damit nicht genug! Um die Peinlichkeit perfekt zu machen, war das Mikro bereits hruntergefahren und so durfte sich der immerhin als Headliner angereiste Musiker nicht mal vernünftig von seinen Fans verabschieden, geschweige denn für das abrubte Ende ohne Zugaben entschuldigen.

Somit blieb In Strict Confidence nichts anderes übrig, als sich geschlossen in der Bühnenmitte zu versammeln und mit einer abschließenden Verneigung wenigstens ihrem Teil der Etikette Genüge zu tun. Was das Stage-Management jedoch anbelangte kann man nur sagen: Setzen 6! So stillos wie ISC wurden seinerzeit auch Project Pitchfork auf dem Zillo Festival 1999 abgefertigt und da hat das am Ende beiden Parteien nicht sonderlich gut getan! Bei 90 Minuten Verzögerung im Zeitplan wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl dringen vonnöten gewesen, zumal einerseits noch die große Aftershowparty angesagt war und zum anderen die 5 Minuten einer eventuellen Zugabe den Kohl auch nicht mehr fett gemacht hätten. Scheiß auf die fehlenden 20 Minuten, so sollte man nicht mit einem headliner umgehen! Prädikat: Kindergarten!

 

 Das Finale:

Nach diesem unrühmlichen Ende einer bis dahin recht gelungen Veranstaltung, folgte nun also die Aftershowparty, oder besser gesagt „ferngesteuertes Gezappel” zu einhellig bekannten Rhythmen, leidenschaftlich belebt durch jedem Menge Tabak und Alkohol. Da mein Akku inzwischen auf Reserve lief, hatte ich dem bunten Treiben auf der Tanzfläche nicht mehr hinzufügen. Noch bevor DJ Dero die Plattenteller zum Kreisen brachte entschwand ich aus der zum schneiden dicken Luft im Jolly Joker und machte mich auf den dieses Mal nicht ganz so weiten Heimweg.

Alles in allem muss man sagen, dass sich der Besuch des Festivals durchaus gelohnt hat. Neben Thanateros, die eine wirklich beeindruckende Show ablieferten, vermochten auch E-Craft und Funker Vogt durch massig Live-Power zu überzeugen. Adorned Brood empfahlen sich trotz schwacher Resonanz als ernstzunehmende Alternative im Folkmetalgenre und In Strict Confidence überraschten zumindest meine Wenigkeit durch ihren extrem rockigen Live-Sound.

Den Gesamteindruck zu trüben vermochten in erster Linie die Kinderkrankheiten des Ablaufs. Nimmt man als Fan einer Band gerne mal eine Verzögerungen in Kauf, so war das verfrühte Ableben des Headliners sicher nicht förderlich für das allgemeine Wohlbefinden. Da der Besucherzulauf der Veranstaltung trotz starker bundesweiter Konkurrenz an den Feiertagen als sehr gut zu bezeichnen war, bleibt zu hoffen, dass bei einer etwaigen Neuauflage des Festivals etwas mehr Fingerspitzengefühl beim Stage-Management bewiesen wird.

Somit war das „Treffen der Dunklen Generationen“ am Ostersonntag sicher kein schlechter Zeitvertreib, doch neben einem abwechslungsreichen Programm gehört halt noch ein bisschen mehr zu perfekten Glück. In Schulnoten ausgedrückt war es eine glatte drei und darauf sollte man aufbauen!

Tschüß, bis zum nächsten Mal,
Euer Ritti!

Und hier gehts zur Live-Ga”ll”erie!