29.05.2011 - RUSH (Frankfurt - Festhalle)

Hallo Freunde,
für den nachfolgenden Konzertbericht möchte ich heute mal etwas weiter ausholen als üblich und zu meiner Schande zu gestehen, dass ich erst vor kurzem, im Frühjahr 2009, über das Musikspiel „Rockband“ und das darin enthaltene „Tom Sawyer“ aufmerksam wurde. Nicht dass Rockband mir schon so manches mal die Augen geöffnet hat und zeigte, dass es auch Jenseits der Gothicszene phantastische Musik gibt. Doch mit RUSH war das anders. Irgendwie ging eine magische Anziehungskraft von diesem Song aus und ich wusste sofort, dass ich mich früher oder später mit dieser Band intensiver auseinander setzen würde.

So kam es, dass ich mir im vergangenen Jahr die ultimative RUSH Druckbetankung verabreichte und binnen 4 Wochen den kompletten Backkatalog der Kanadier ins Haus kommen ließ. Nicht ahnend dass RUSH für die nächsten Monate meine ständigen musikalischen Begleiter sein würden begab ich mich auf die Entdeckungsreise durch das Lebenswerk des Trios und versank darin vom Scheitel bis zur Sohle.

Von den wilden 20minütigen Prog-Orgien der 70er über die synthi-orientierten 80er, bis hin zum groovigen, zuweilen gar metallischen Progressive Rock der 90´s und 2000er entführen RUSH den Hörer auf eine faszinierende Reise. Musikalischer Treibsand. Je mehr man dem unkonventionellen Sound zu entfliehen versucht, umso tiefer versinkt man darin. Die 40 Millionen weltweit verkaufter Tonträger sprechen da auch eine deutliche Sprache! Der Clou: jedes RUSH Album ist für sich genommen einzigartig und es fällt einem schon sehr schwer einzelne Werke der Kanadier heraus zu picken. Lediglich zwei Alben haben sich im Lauf der Jahrzehnte bei Fans und Kritikern verstärkt hervorgehoben. Zum einen das legendäre „2112“ mit dem gleichnamigen Titeltrack und „Moving Pictures“, welches mit Songs wie „Tom Sawyer“, „Red Barchetta“, „Limelight“ oder dem übermächtigen Instrumental-Leuchtfeuer „YYZ“ zu dem RUSH Klassiker schlechthin avancierte.

Diesem Umstand trugen Geddy Lee, Alex Lifeson und Neil Peart 2010 mit der „Time Machine Tour“ Rechnung und verfrachten „Moving Pictures“ kurzerhand ungeschnitten und am Stück in ihr Live-Set. Ein knappes Jahr später kam dieser Tage auch Europa in den Genuss der spektakulären Show. Neben ausgewählten Terminen in Schweden, Groß Britannien und Irland durfte sich auch Deutschland auf ein einziges Konzert in der altehrwürdigen Frankfurter Festhalle freuen. Und wie sich schon bald herausstellte, freute sich ganz Europa mit!

Als ich am Sonntagvormittag zum Bahnhof fuhr hatte ich offen gestanden noch nicht den Hauch einer Ahnung, was mich in den kommenden Stunden erwarten würde. Etwas miesmurmelig über die knapp 180 Piepen, die mir ein nicht näher zu nennender Verkehrsdienstleister (Raubritterverein) für den Railway to Heaven abgeknöpft hatte, wartete ich schon bald am Bahnsteig auf das Eintreffen des Zuges. Gegen 16:20 Uhr und bei bestem Ausflugswetter kam ich schließlich am Bestimmungsort an. Dabei deutete sich schon beim verlassen der Frankfurter U-Bahn Station Launiges an. An einem kleinen italienischen Restaurant auf dem Weg ins Glück hatte eine Gruppe gut aufgelegter Rockfans einen Boxenstopp eingelegt und machte sich aus vollen Lungen, quer über den Platz, bemerkbar.

Derweil schloss ich mich dem Tross der anreisenden RUSH-Fans in Richtung Festhalle an. Den Knick zum Eingang an der Brüsseler Straße brachte ich zügig hinter mich. Erfreut über die gute Anbindung und Ausschilderung der Halle stand ich alsbald umringt von positiv Bekloppten aus aller Herrenländer vor dem großen Haupttor. Obwohl der eiserne Vorhang noch geschlossen war, hatte sich bereits ein stattlicher Haufen davor zusammengerottet, während sonnenempfindlichere Seelen es sich in der angrenzenden schattigen Häuserflucht gemütlich gemacht hatten. Auf dem Vorplatz herrschte derweil munteres Stimmengewirr. Das bunt gemischte Publikum im Alter von 16 bis 60 sollte im Laufe des Abends noch manches erwähnenswerte Detail zum Vorschein bringen. Den Anfang machte eine kleine Gruppe Eingefleischter, die samt „Starman“-Transparent und „Limelight“-Schlachtgesang die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich zog.

Währenddessen wurde weiter fleißig Aufstellung genommen, bzw. das ein oder andere Erfrischungsgetränk die trockenen Kehlen hinab geschüttet. Zu diesem Zwecke hatte man seitens der Festhalle an alles gedacht und den durstigen Fans einen Thekenpavillon mit kühlem Feucht bereit gestellt, der obendrein mit dezentem Rush-Sound aus der Konserve auf das Konzert einstimmte.

Gegen 17 Uhr begann die erste Phase des Einlasses. Begleitet vom Beifall der Hundertschaften vor dem Gatter näherte sich die Securitykolonne kinoreif auf breiter Front dem Tor. Fehlte eigentlich nur noch die dazu passende Zeitlupe und ein pathetischer Hans Zimmer Soundtrack. Kaum ward der erste Spalt der Pforte geöffnet, stellte die Hammelherde auch schon mit wildem Gebrüll die Schlacht um Omaha Beach nach und preschte laufenden Schrittes in Richtung der Einlassschleusen vor der Halle. Willkommen bei „The Dome“ für Erwachsene!

In der Tat erinnerte die kuppelartige Dachkonstruktion der Festhalle entfernt an den Austragungsort einer gewissen Popmusikschau, wobei das Programm heute geringfügig anspruchsvoller ausfallen sollte. So hiess es nach weiteren 15 Minuten in der Sonne Welcome to the „Thunder“dome. Aus den hundert „Hammeln“ waren inzwischen tausende geworden. Gottlob hatte nicht alle von Ihnen der Jagdinstinkt gepackt. Andernfalls hätte das Meer aus Menschen die Barriere wohl einfach überrannt. Entsprechend bedeckt hielt sich die Blue Man Group von der Security bei der Kontrolle mitgebrachter Gegenstände. Nicht auszumalen welches Chaos entstanden wäre, hätten sie wirklich akribisch jede Tasche kontrolliert.

Mit nicht unerheblicher Genugtuung, es auch ohne Einsatz der Ellenbogen geschafft zu haben, fand ich mich wenig später im vorderen Abteil des Innenraums, gute 10 Meter von der Bühne entfernt, wieder. Gar nicht so übel, wenn man bedenkt, dass die Halle Platz für rund 13.000 Besucher bietet. Umringt war ich dabei von einer Gruppe Franzosen und mehreren Spaniern, die repräsentativ für das multikulturell aufgestellte Publikum einen nicht unerheblichen Faktor einnahmen. Genauer gesagt hatte das heutige Konzert Besucher aus ganz Europa oder gar den USA angelockt. „Hi I´m Rob from Texas, who are you?...“ Noch Fragen?!

Nachdem der Konzertbeginn erst gegen 18:30 zu erwarten war, blieb ein wenig Zeit die Bühne und das Geschehen in der Halle zu beobachten. Dabei fiel mir auf dass die Bühne zwar breit aber leider eine Spur zu niedrig angelegt worden war. Wer nicht gerade dem Gardemaß entsprach musste auf dem Parkett auf die untere Hälfte der Band verzichten. Dafür verfügte die Bühne über eine enorme Höhe und was hier an Lichttechnik unter der Decke baumelte vermochte Eindruck zu schinden. Dazu befand sich am hinteren Bühnenende eine großzügig angelegt LED Wall.

Für Aufsehen beim Publikum sorgten allerdings zunächst, ich will sie jetzt mal so nennen, die menschlichen Lichtkanonen. Angefeuert vom Volk auf dem Plane, schwangen sich nacheinander mehrere Licht-Operator vie Strickleiter auf in luftige Höhen, wo sie nun jeweils rittlings auf einer Traverse Platz nahmen, um die Musiker während der Show perfekt auszuleuchten. Drolliges Detail: kaum hatte ein Mann seine „Gefechtsposition“ eingenommen, ward die Angel ausgeworfen, um vom Grund eine Flasche Wasser hinauf zu fischen. Und ich könnte schwören, eine von den Flaschen war leer ;).

Die oberen, mit Sitzplätzen bestückten Ränge der Halle füllten sich zunächst nur zögerlich. Das sollte sich jedoch gegen kurz vor halb Sieben schlagartig ändern, als ein Crewmember, mit gespitzter Pommesgabel in die Kameras posend, damit begann sich an der Bühnenkante zu schaffen zu machen und dem leuchtenden Kasten auf der rechten Seite einen rotierenden Grammophonlautsprecher überzustülpen. Dem Startschuss nicht mehr fern, füllten sich nun schlagartig die Oberränge, bis nur noch vereinzelte Lücken im weiten Rund auszumachen waren. Keine Frage, die zwischenzeitlich bereits als ausverkauft gemeldete Halle war rappeldicke voll mit gespannten Rush-Fans. Einige Minuten über den versprochenen Beginn hinaus musste sich die versammelte Menge zwar noch gedulden, 18:45 Uhr war es dann aber so weit: das Licht erlosch, die Türen wurden geschlossen, die LED Wall trat in Aktion.

Wenige Sekunden später befanden wir uns, begleitet von drolligen Star Wars Anspielungen, auf dem Weg durchs All, der uns direkt zu Gershon´s Weltraumrasthof führte. Das Lokal selbst, eine Mischung aus Düsenmobil und Thüringer Bratwurst, begrüßte uns mit dem Slogan: „Nobody beats our Sausage!“ und einigen illustren Gästen. Die nachfolgenden Szenen hätten so oder so ähnlich auch aus einer Ausgabe von „Dittsche“ stammen können. Da wuchtete der fettleibige Musikagent Slobovitz (Alex Lifeson) seinen Wanst durch die Toilettentür zurück ins Lokal, wo er sich mit Jean-Pütz-Zwirbelbart Gershon (Geddy Lee) über die lustlos aufspielende Hauskapelle ausließ. Am Tresen hing wiederum ein brummeliger Cop, gespielt von Neil Peart.

Mit seiner Geheimwaffe, dem „Gefilter“, versuchte der fette Slobovitz der Hauskapelle nun Beine zu machen. Emsig kurbelte der Klops an seiner musikalischen Zeitmaschine und impfte der Band nach und nach den „Spirit of Radio“ ein. Der Volksmusiksound war es dann aber doch nicht und auch die 50´s Variante vermochte nicht zu überzeugen. Während Gershon beim 70er Sound der Meinung war „hier hätte man was auf dem man aufbauen könnte“, grummelte (sinngemäß) der Cop beerbeissig: „Aaaach was, aus dem Gammel wird doch nie was!“ Dann traf der „Gefilter“ ins Schwarze, die Band verschwand im Time Tunnel und während eilig die letzten Tücher von den Instrumenten entfernt wurden, stürmten Geddy, Alex und Neil das „Spielfeld“. Einen Moment später brach sich die aufgebaute Spannung Bahn und entlud sich in einem Strudel aus taumelnden Emotion, während Wellen aus Licht und Klang die Halle fluteten. Ein magischer Moment!

Vom Opening regelrecht umgehauen, ging auf dem Parkett ohne Umschweife die Post ab. Anfangs noch ein wenig überfordert, nahm das Auge nach und nach auch die liebevoll gestaltete Bühnendeko auf. In Anlehnung an H.G. Wells' „The Time Machine“ hatte man sich einiges einfallen lassen. Sowohl Alex' Amps als auch Neils aufwändig verziertes 360 Grad Monsterschlagzeug wiesen eine nicht zu übersehende Steampunkoptik auf. Und dann war da ja noch diese seltsame Maschine hinter Geddy, die mit zahlreichen wimmelnden Armaturen und Ventilen für faszinierte Blicke sorgte, ganz zu schweigen von den phantasievoll gestalteten LED Projektionen, die ein ums andere Mal das Live-Geschehen der drei Musiker mit thematisch passenden Rahmen und Bild-im-Bild Blenden inszenierte. Ein Rausch für die Sinne, ohne Kompromisse. Und weil das allein den Kanadiern noch nicht genug des Aufwands war, gab es praktisch für jeden Song noch einen individuell abgestimmten Showeffekt.

Ganz schön viel Theater, könnte man meinen. „Will da einer von muskalischen Werten ablenken?“ stänkern die anderen. Doch genau das passierte hier nicht. Obwohl es über die drei Stunden hinweg permanent etwas zu bestaunen und zu entdecken gab, wirkten die Einlagen zu keinem Zeitpunkt aufdringlich. Es hat eben seine Vorteile wenn man es sich leisten Kann seine Mega-Pyrobatterie nur 3 mal am Abend für Sekundenmomente einzusetzen und nicht den selben Gag immer und immer wieder zu bringen. In all was sie taten wahrten RUSH eine feines Gespür dafür wo Musik endet und Zirkus anfängt. Doch zurück zum Geschehen.

Das in zwei großzügige Etappen untergliederte Set der Kanadier ruhte sich weissgott nicht auf den Lorbeeren aus. Ohne den Druck eines aktuellen Albums im Nacken nahm sich das Trio im ersten Teil ein bunt gemischte Songauswahl vor. Die ganz alten Hufe aus den Anfangstagen mal ausgeklammert, deckte das erste Set eine Zeitspanne von 1980 bis heute ab. Ganz zu Beginn nahm der RUSH-Zug mit „Time Stand Still“, „Presto“ und „Stick It Out“ „RASH“ Fahrt auf, bevor „Working Them Angels“ vom aktuellen Album „Snakes & Arrows“ mit einer atemberaubenden Fotogeschichte und Soldaten mit Engelsflügeln zu beeindrucken wusste. „Leave That Thing Alone“ markierte anschließend das erste von 4 Instrumentals. Voll auf Zack, zeigten die Herren gehobenen Alters hier eindrucksvoll, dass sie nach wie vor Meister ihres Fachs sind. Man ist eben immer so jung wie man sich fühlt und das Trio hier auf der Bühne zeigte der versammelten Musikerjugend in Frankfurt was eine Harke ist. Insofern verwunderte der moderne Kurs des Konzerts nicht, als mit „Faithless“ und dem brandneuen „BU2B“ („Brought Up To Believe“) zwei topaktuelle Nummern zum besten gegeben wurden. Nachdem RUSH in den 80ern vergleichsweise zahm mit Synthies experimentiert hatten und die 90er wieder verstärkt von rockigen einflüssen bestimmt waren, hatten sich RUSH mit Alben wie „Vapor Trails“ und „Snakes & Arrows“ ein spürbar härteres Gewandt übergestreift, das mit wuchtigen Prog-Rhythmen und druckvollen Gitarren zuweilen mit spitzbübischer Freude um das Metal Genre herum scharwenzelte. „BU2B“ als Vorgeschmack des bald erscheinenden nächsten RUSH Albums machte da keine Ausnahme und brachte den Druck im Kessel zum Überkochen. Aus den Amps und Geddy´s merkwürdiger „Wurstmaschine“ zischten die Dampffontänen, dass es nur so eine Freude war.

Bei „Freewill“ war für das Publikum der Moment gekommen, einen Teil der Energie an die Band zurückzugeben. „I will choose Frewill...“ sangen die 13.000 im Refrain lauthals mit und schufen damit wahre Gänsehautstimmung. „Erpelpelle all-over“ ging es sportlich weiter mit „Marathon“ vom 1986er Album „Power Windows“. Behutsam näherte sich Geddy hier seinem bis hierhin nur als Staffage auf der Bühne weilenden Keyboards. In aller Ruhe griff er in Tasten, der sirrende Klang der Elektronik füllte den Raum. Plötzlich ein Rums, ein Knall – Filmriss! Während ein Teil des Publikums erstmal das Betriebssystem neu hochfuhr, spurteten die Drei auf der Bühne beherzt voran und kamen mit dem bärenstarken „Subdivisions“ bereits zum Ende des ersten Blocks. „Wir sind alte Männer und brauchen eine kurze Pause“, verabschiedete sich Geddy, gewohnt selbstironisch, von der aufgeladenen Meute.

Wie im Flug war die Zeit vergangen. Umso langsamer schritt sie nun voran, da auf der Leinwand eine überdimensionale Uhr im Zeitlupentempo vor sich hin kroch. Höchste Zeit für einen Abstecher zur Theke und den im Keller befindlichen Flüssigkeitsabführeinrichtungen. Sollte doch schließlich niemand in Versuchung geraten das aufkommende Kippeln im Schritt als ausgefallenen Tanzstil fehlzuinterpretieren.

Nach der Pause stellten Rush erneut ihr komödiantisches Talent unter Beweis. Slobovitz, inzwischen mit schmalziger Vokuhila Frisur versehen, hatte seiner Band einen Videodreh besorgt und nichts besseres zu tun als Regisseur Cecile (gespielt von Geddy) permanent auf die Nüsse zu gehen. Wozu braucht man schon eine Band, wenn man das Video auch mit einer Horde Schimpansen drehen kann? Spätestens als die Affenbande in Aktion trat war´s vorbei mit der Fassung. So lenkte der allgemeine Lachflash über die knuddeligen Musikprimaten ein wenig von dem magischen Moment ab, als RUSH mit „Tom Sawyer“ die lang erwartete Aufführung des „Moving Pictures“ Albums einläuteten.

Nachdem die Abfolge der nächsten gut 40 Minuten durch den Aufbau des Originalalbums vorgeben war, konnte man sich umso mehr auf die Umsetzung konzentrieren. Der ansonsten gesanglich starke Geddy leistete sich im Verlauf der kommenden Songs z. B. einige Freiheiten die die Songs nicht unbedingt aufwerteten. Bei „Tom Sawyer“ nuschelte er sich gehörig einen zurecht und auch beim begnadeten „Limelight“ konnte er mit seine abgewandelten Einsätzen nicht 100%ig überzeugen. Sei´s drum! Ein Beitrag aus der Kategorie „Holla die Waldfee“ erwartete das weite Frankfurter Rund mit „YYZ“. Die Mutter aller RUSH-Instrumentals vermag auch nach 30 Jahren noch zu zünden wie ein Streichholz im Sprengstofflager. „Döööö Dödelö Dö Dö Dööö...“ hörte man die Menge johlen, während das erste Drittel der Halle gemeinschaftlich zu hüpfen bekann. Doch gerade als man dachte die Stimmung könnte nicht besser sein schlugen RUSH den nächsten Haken. Pünktlich zum Keyboard-Interlude räkelte sich plötzlich etwas unter der Hallendecke und es dauerte nur einen Moment bis die beeindruckende Lichttraverse in der Bühnenmitte sich auf die Musiker herabgeseilt hatte, um mit stählernen Spinnenfingern, samt stechendem Blick majestätisch über der Szenerie zu schweben.Man muss kein Prophet sein um sich vorzustellen wie hier 13.000 Menschen für einen Moment den Atem anhielten und ein Raunen durch den Saal ging. Szenen wie aus einem Sci-Fi Film spielten sich hier live auf der Bühne ab! Grandiose Show!

Während sich das oft unterschätzte „Camera Eye“ überraschend gut in das Livesetting einfügte, funktionierte auch die Inszenierung von „Witch Hunt“ tadellos. Die Szenerie in unheimliches Licht tauchend, leckten Flammenzungen hinter den Musikern empor und unterstrichen die knisternde Atmosphäre dieser vergleichsweise ruhigen Nummer. Wie sehr RUSH auch anders können demonstrierte das Trio nach dem Moving Pictures Marathon mit dem zweiten neuen Song „Caravan“. Illustriert von perfekt abgestimmten Videosequenzen stand mit einem Zisch buchstäblich die komplette Bühne in Flammen und auch musikalisch ging es nun deutlich heavier zur Sache. Womit wir auch schon beim Sakrileg eines jeden RUSH Konzerts angekommen wären: Neil Pearts Drumsolo!

Der Mann über den man mehr Bücher schreiben könnte als er selbst im Schrank stehen hat (und das sind Gerüchten zu Folge eine Menge) nahm das Publikum für die nächsten knapp 10 Minuten musikalisch im Alleingang an die Hand. Und der Meister blieb seinen Fans nichts schuldig! Explosiv wie ein junger Gott holzte er sich durch diesen nicht enden wollenden Schlauch aus Tricks und Kniffen, in immer neuen irrwitzigen Kombinationen, bis hin zum 360 Grad Rundumschlag, als sich buchstäblich die Welt um Ihn zu drehen begann. Unfassbar: Neil Peart - der Drummer der sein eigenes Schlagzeug schwindelig spielt!

Aufgeladen von dieser irren Achterbahnfahrt leitete „Closer to the Heart“ bereits das Finale des Abends ein. Keine Frage, hier wurde nochmal inbrünstig mitgesungen! Genau die richtige Vorlage, um, begleitet von Jubel des Menge, den legendären „Starman“ auf die LED Wall zu beschwören. Sofort wusste jeder was gespielt werden sollte: „2112“. Für den Abschluss hatten sich RUSH wiederum „Far Cry“ aufgehoben. Doch RUSH wären nicht die Künstler die sie sind, hätten Sie nicht noch ein Paar Asse im Ärmel.

Nach 150 Minuten noch immer im voll im Saft, zündeten Geddy Alex und Neil im Zugabenteil den Overdrive. „La Villa Strangiato“ war schon 1978 halsbrecherisch. Umso beeindruckender, wie sich das Trio auch 33 Jahre später noch durch dieses 9minütige Arpeggio Monster frickelte. Nicht minder rasant ging es bei der abschließenden Kultnummer „Working Man“ zur Sache. Da durfte man sich von der anfänglichen Dub-Variation nebst Jamaikabeleuchtung nicht täuschen lassen. Spätesten beim Solopart flogen Alex' Finger nur so über die Saiten seiner Gitarre, slappte Geddy seinen Bass mit Inbrunst und verteilte Neil mit Schmackes Hände in alle verfügbaren Felle und Becken.

Doch die Zeit des Abschied war gekommen! Mit zufriedenen Minen hinterließen die Drei Musiker ein beseeltes Publikum, dass gerade einen Blick in den Olymp des Rock & Roll geworfen hatte. Wie im Flug war das 3stündige Konzert vergangen und dass ist womöglich das größte Kompliment was man den Kandiern machen kann. Das abwechslungsreiche Set, die musikalischen Kabinettstückchen und die tollen, aber nie überbordenden Spezialeffekte, hatten ihren Beitrag zu einem verdammt kurzweiligen Abend geleistet.

So passte es ins allgemeine Bild, dass RUSH ihre Fans nicht einfach in den lauen Maiabend entliessen, sondern den Kreis mit einem weiteren Filmchen beendeten. Dieses Mal hatten sich zwei Obernerds der Marke Wayne´s World mit gefälschten „Triple A“ Pässen Zugang zum Backstagebereich verschafft, wo sie sich im Beisein der ankommenden Band auf das schlimmstmögliche daneben benahmen. Keine Frage, dass RUSH auch ein Herz für diese Trottel haben. Und so blieb der „versehentlich“ im Backstage vergessene „Zweihals“ der beiden Deppen selbstverständlich nicht unsigniert. Allerdings sollte man unter keinen Umständen zwischen Neil Peart und sein Sandwich geraten! ;)

Schwer beieindruckt durch das erlebt schloss ich mich nun der zügig aus der Halle strömenden Menge an. Zu meiner ersten Verwunderung brannte am Himmel über Frankfurt noch Licht. Ein Blick auf die Uhr verriet: 21:45 Uhr. Also noch früh am Tage und ausreichend Zeit für einen gepflegten Absacker in einem der angrenzenden Lokale. Zumindest sofern Lokale angrenzen. Doch genau da lag das Problem. Der Italiener um die Ecke schien einer der Wenigen Gastronomen im Umkreis gewesen zu sein und erwies sich als reichlich überfordert. Da wurden eilig Tische herbei geschleppte und emsig Alkohol ausgeschenkt, mit dem Resultat, dass die Schänke um Schlag 23 Uhr trocken lag als die Wüste Gobi. „Wir haben leider kein Bier mehr“, lautete die Auskunft des achselzuckenden Kellners, dem die Sache sichtlich unangenehm zu sein schien. Im gleichen Atemzug gab er an noch nie so viel Alkohol ausgeschenkt zu haben wie in den vergangenen zwei Tagen. Ein schwacher Trost für durstige Kehlen. Immerhin: an Rotwein bestand (noch) kein Mangel! Na dann Prost!

Als ich eine Stunde später, noch immer von wahllos durch meinen Kopf spukenden Konzertszenen befangen, am Frankfurter Hauptbahnhof eintraf, setzte sich das skurrile Bild nahtlos fort. Wann hat man das schonmal, dass Sonntagnachts der halbe Bahnhof aus Fans einer einzelnen Band besteht. Und dann noch aus aller Herren Länder? Völlig abgefahren! Auch jetzt, eine Woche nach dem Konzert sitze ich hier an diesem Rechner und mich packt wieder die Sehnsucht in der Frankfurter Festhalle stehen zu wollen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Kanadier ihre Ankündigung wahr machen und schon bald mit ihrem kommenden Album fertig werden. Umso besser stehen die Chancen Geddy Lee, Alex Lifeson und Neil Peart wieder Live in Aktion zu erleben! Lasst uns nicht zu lange warten, Jungs! Wir zählen auf Euch!!!!

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