29.10.2002 - Schandmaul  “Narrenkönig Tour 2002” (Musikzentrum / Hannover):

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Rittis Feierabend. Dieses mal live und direkt vom Konzert der schelmischen Mittelalter-Folkrocker Schandmaul (ich hoffe das war jetzt politisch korrekt formuliert), die sich am heutigen Abend in das Musikzentrum zu Hannover getraut haben um uns, dem nicht immer ganz leichten Hannoveraner Publikum, ihr neues Album „Narrenkönig“ vorzustellen.

Doch nun mal ganz von vorne:
Eigentlich hatte ich ja nach dem letzten Konzert im Musikzentrum (Die Happy) nicht vor jemals wieder einen Fuß in dieses Gebäude zu setzen. Damals hatte sich der restlos überfüllte Laden mit saunaartigen Temperaturen und nicht vorhandener Atemluft derart heftig an meinem Stehvermögen schadlos gehalten, dass mir nur noch die Flucht ins Freie blieb. Doch wie das Leben so spielt: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben und  wo gedudelt wird, da ist der (Ritter-)Sack bekanntlich nicht weit. Und so schlurfte ich gegen kurz nach halb Acht mit meiner extra vor diesem Konzert angeschafften Digicam auf den Eingang zu und verschaffte mir mittels Abgabe einer Schutzgebühr von 13 € Zutritt zum Ort des Geschehens, oder in diesem Fall „Die Höhle der Finsternis“:

Drinnen angekommen tappte ich nämlich erst einmal im Dunkeln, da abgesehen von einem riesigen Narrenkopf, an der Rückwand der Bühne nicht viel mehr zu sehen war. Will heißen, den kompletten Raum umgab ein penetrante Dunkelheit, gegen die auch das spärliche Licht der Theke nicht wirklich ankam. Umso kurioser fand ich es dann, dass der Merchandisingstand nicht wie bei Die Happy im beleuchteten Vorraum Stellung bezogen hatte, sondern in der dunkelsten Ecke des Saales sein eher unbeachtetes Dasein fristete. Nachdem ich mich bis dorthin vorgetastet hatte, traf ich auf Merchandiser Peter Heining, der sich inmitten von nicht erkennbaren Preislisten und Fanartikeln ziemlich ausgeliefert zu fühlen schien und mir erklärte, dass man gerade an einer Lösung arbeite. Knappe 5 Minuten später war der gute Peter dann auch erlöst, als ihm freundlicherweise ein paar Kerzen, sowie eine wenig hilfreiche Stehfunzel der Marke „Extradünn“ zur Verfügung gestellt wurden.

Nachdem der Fanartikelverkauf nun ordnungsgemäß vonstatten gehen konnte und auch ich mir kurzerhand ein geräumiges XXL-Narrenkönig-Shirt kredenzte, begann das Warten auf die Band. Da für den heutigen Abend kein Support eingeladen war, zog ich es dann vor mir frühzeitig einen Platz an der Sonne, sprich vor der Bühne zu sichern, um für euch später ein paar nette Schnappschüsse einfangen zu können. Von dort aus war dann auch gut zu beobachten, wie sich das Musikzentrum nach und nach füllte und viele Fans, oder solche die es werden wollten, langsam aber sicher eine für einen Dienstagabend beachtliche Kulisse schufen.

Kurz vor 21 Uhr kündigte sich dann endlich der Beginn des Konzertes an, als Beleuchter Martin „Lichtgott“ Heining und einige Herren von der Stagecrew über die Bühne wuselten. Dabei kam es dann zu einer für mich kuriosen Szene, als die frisch angebrachten Setlisten postwendend der neugierigen ersten Reihe zum Opfer fielen und sich eine Hand voll neugieriger Hälse über den Bühnenrand renkte, um den Ablauf des Konzertes vorab zu erhaschen (Diese neugierige Bande!! *kopfschüttel*). Bevor aber noch jemand größeres Unheil anstellen konnte, begann aber nun das, worauf alle Anwesenden so sehnsüchtig gewartet hatten: der Auftritt der Schandmäuler, in Person von Thomas (Gesang, ), Anna (Geige, Drehleier, Gesang), Birgit (Flöten, Dudelsack, Gesang), Stefan (Drums, Percussion), Martin/Ducky (Gitarre, geile Posen) und Matthias dem neuen Mann am Bass.

Da es im Musikzentrum vor der Show kein Licht gab, konnte folglich auch keins ausgehen. Dafür ging jedoch eines an und zwar ein Blaues. Zu aufwehenden Windböen aus den Boxen, rotierten Blaue Lichtkegel durch den Raum und verkündeten den Aufzug einer „Sturmnacht“, bis es dann soweit war: Begleitet von lautstarkem Johlen erschien Stefan auf der Bühnenempore und begann, umgeben von gleißendem Licht und wehendem Nebel auf seiner Trommel den Takt vorzugeben. Während sich alle Blicke auf ihn fixierten, betrat Birgit die Bühne und eröffnete mit einem gekonnten Dudelsackpart das bunte Treiben. Mit einem Schlag hatte sich das arglose Stilleben vor der Bühne in eine wippende Menschenmenge verwandelt, die spätestens bei Martins Gitarreneinsatz zeigte, dass sie heute Abend zum feiern da war. Immerhin hatte es in der Vergangenheit auch schon Bands gegeben, die dem Fluch der Welfen erlegen waren und kurzerhand im Regen stehen gelassen wurden. Heute bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt die Gefahr und so ging es nach der musikalischen Begrüßung „Sturmnacht“ nahtlos weiter mit dem „Teufelsweib“. Sänger Thomas fand dann einige begrüßende Worte und leitete mit einer seiner vielen Kurzgeschichten zum folgenden Stück „Wahre Helden“ über. Damit startete das Sextett eher locker in den Abend und brachte seinem Publikum die folklastigeren Anfangstage nahe, Textaussetzer inklusive.

Nach dieser lockeren Aufwärmübung wurde es dann allerdings ernst: Mit „Der Kurier“ und „Waldmär“ gingen zwei astreine Gelegenheiten zum Partymachen über die Bühne, bei der sich das bayrische Halbdutzend als vortreffliche Stimmungskanone entpuppte. Nicht nur vor der Bühne wurde das Treiben nun zusehends lebhafter, sondern auch einen guten Meterzwanzig weiter oben fing es jetzt merklich an zu wuseln. Vor allem Geigerin Anna schunkelte kräftig mit und suchte wie Birgit am anderen Ende der Bühne immer öfter den Kontakt zu ihren Nebenleuten, mit denen sie dann wahlweise tanzte oder hingebungsvolle Blicke austauschte.

Als nächstes griff nun Birgit zum Mikro. Sie bedankte sich zunächst einmal artig für „unser“ zahlreiches erscheinen und zeigte sich mit „Das ist schon viel mehr als wir erwartet haben“ sichtlich begeistert über die tolle Stimmung.  Thomas hingegen fiel nun nach einer guten Viertelstunde auf, „dass ja da oben (quasi in der Loge) auch noch lauter Leute stehen“. Was folgt ist „Waldgeflüster“. Die erste reine Folknummer des Abends avancierte schnell zum Paradestück für Flötenfrau Birgit, die sich in der Zwischenzeit auf Thomas Position in der Bühnenmitte begeben hatte, um dort ein furioses Flötenspiel vom Leder zu ziehen, für dass sie sich im Anschluss von ihren Bandkollegen brav den Spitznamen „Bifi Muggenhörnchen“ abholte.

Die folgende Stücke „Seemannsgrab“ und „Dein Anblick“ waren dann wieder etwas zum engagierten Mitsingen und vor allem Mit“machen“. Denn treu dem Motto „Spaß ist, was Ihr draus macht“, wurden kurzerhand Wunderkerzen im Saal verteilt, die gepaart mit der opulenten Bühnenbeleuchtung eine stimmungsvolle „Instant-Do-It-Yourself-Pyro-Show“ darstellen sollten. Nett und irgendwie mal was anderes!

Stück für Stück schritt der Abend nun fort und die Zeit verging wie im Fluge. „Zwei Brüder“, der wohl härteste Song des Abends und „Der Talisman“ wurden fröhlich hüpfend abgefeiert und der flotte Dreier mit dem Medley aus „Hexentanz“, „Henkersmahlzeit“ und „Gebt Acht“ entwickelten sich zur schweißtreibenden Angelegenheit für Stirn und Schuhsohlen. (Wo gibt’s das heutzutage schon noch, dass eine Band „Kalinka“ tanzt??!?)

Nachdem sich das Musikzentrum nun reichlich warmgefeiert hatte, schaltete die Band nun den Turbo zu. „Der Spion“ inklusive Vorstellung der Bandmitglieder ( ...die letzte Tröte, das „Bifi Muggenhörnchen“ *grins) machte den Anfang und während der „Sichelmond“ vom Frieden erzählte, befanden Schandmaul ihr Publikum kurzerhand für „Vogelfrei“ und schickten es mit „Walpurgisnacht“, „Herren der Winde“ und dem „Letzten Tanz“ mit voller Wucht in den Drehzahlbegrenzer. Gitarrist Ducky nutzte dabei die Gunst der Stunde, um sich als Spaßvogel zu verdingen: Er legte kurzerhand seine Gitarre hinter den Kopf und hielt sie so, dass ein eigens angebrachter Aufkleber mit der Aufschrift „Poser“ zum Vorschein kam. Sehr witzig!

Wie nicht anders zu erwarten, war nach dem Letzten Tanz erst einmal hängen im Schacht. Das Licht erblaute, die Band verließ die Bühne und Hannover sang gierig das Lied von der Zugabe. Mit „Powerdudler“ kam dann ein weiteres Highlight zu Gehör, bei dem Birgit einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass der Dudelsack kein ausschließliches Männerinstrument ist. Ohne nun jemanden beleidigen zu wollen, muss ich gestehen, dass sich so mancher Extremo noch ne dicke Scheibe von ihr Abschneiden könnte.

Mit „Die letzte Tröte“, einem der größten Knaller im Repertoire der Schandmäuler ging die erste Zugabe zuende. Sänger Thomas ließ es sich allerdings nicht nehmen noch einmal die Bühne zu entern, um mit akustischer Begleitung seinen Song „Sonnenstrahl“ darzubieten. Dabei wurden dann auch ein weiteres Mal Wunderkerzen herumgereicht, die den romantisch-verträumten Ausklang des Konzertes wunderbar unterstützten. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang auch die Lightshow von „Lichtgott“ Martin Heining (ich vermute mal er ist kurioserweise der Bruder vom lichtlosen Merchandiser Peter), der auch ohne den mittelaltertypischen Gebrauch martialischer Flammenkanonen über den ganzen Abend stimmungsvolle Bilder auf die Bühne zauberte und nun mit imposanten sonnenartigen Strahleffekten zur Höchstform auflief. Leider blieb nach diesem visuellen und musikalischen Erlebnis nur noch der Abschied, sowie der feste Vorsatz der Band, auf jeden Fall wiederzukommen.

In Anbetracht der tollen Stimmung und der hohen Unterhaltungsfaktor der Show, kann man nur hoffen, dass die sympathischen Bayern möglichst bald wieder den Weg ins Land der Welfen finden werden, um erneut von „Spitzbuben und anderen Halunken“ zu verkünden, oder einfach nur den „Narrenkönig“ zu geben. Sicher kann ich nicht für alle sprechen, aber mir hat dieser Abend auf alle Fälle viel Spaß bereitet und ich kann nur jedem Freund mittelalterlicher Klänge empfehlen, den Schandmäulern einen Besuch abzustatten.

Bevor jetzt diese Folge von Rittis Feierabend endet, möchte ich noch zwei Dinge lobend erwähnen. Zum einen, dass die Band sich Zeit für Ihre Fans nimmt und nicht sang und klanglos ihre Koffer packt (das ist auch nicht selbstverständlich) und zum anderen, dass das Klima im Musikzentrum heute ein völlig anderes war. Scheinbar war der Club beim letzten Mal derart hoffnungslos überfüllt, dass zum Atmen schlichtweg kein Platz mehr blieb. Nach heute Abend kann ich jedoch ruhigen Gewissens verkünden: Auf Wiedersehen im Musikzentrum Hannover. In diesem Sinne...Gute Nacht,

Euer Ritti

Und zur Belohnung für euer Ausdauer gehts hier gleich weiter zur Ga”ll”erie!