8 / 10 Punkten
 


Disc Facts:



Label: AFM Records

Spieldauer: 52:57 Min..

Tracklist:

-
Böse Mädchen
-Eiszeit
-Bombe
-Gothkiller
-Die Engel
-Segne Deinen Schmerz
-Amok
-Dein Weg
-Supermodel
-Der Hauch des Lebens
-Kein Wunder
-Amok
 (Renegade of Noise Mix)
-Schwarze Witwe
  (TLP-Remix)

Bonus DVD - Live @ LKA:

-Vergissmeinicht
-Leider
-Heilig

Release: 16.04.2010
 

Homepage:
www.eis-brecher.com
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eisbrecher - Eiszeit


Mir wird kalt...so kalt...
Der April der April, der macht was er will. Eben noch frühlingshafte 20 Grad bei herrlichem Sonnenschein, bricht schon im nächsten Moment die Eiszeit aus. Zumindest wenn es nach Kapitän Alexx Wesselsky und Noel Pix geht. Zum nunmehr vierten Male beehren uns die Bajuwaren nun in Albumlänge und servieren ihren kraftstrotzenden Electrorock standesgemäß „on the rocks“!

Dabei sah es, wir erinnern uns, zu Beginn der großen Fahrt, bei weitem noch nicht nach dem gut geschmierten Stahldampfer aus, das heute durch das Eis pflügt, wie ein heißes Messer durch die Butter. So ist es wohl eher den phantastischen Entertainerqualitäten Wesselskys, als dem überfrachteten Debüt zu verdanken, dass aus dem Eisbrecher kein U-Boot wurde. Der Nachfolger „Antikörper“ schmiss damals viel Ballast über Bord und etablierte die Band als Geheimtip, bis sich Eisbrecher nach dem dritten Stapellauf „Sünde“ schließlich zum neuen Flaggschiff des deutschen Deutschen Electro Rock entwickelten. Warum?

Nun, während Rammstein längst zu einem überzüchteten Monstrum mutiert sind, Unheilig zur Zeit „das Wunder von Bernd“ nachstellen, Oomph! weitestgehend in der kreativen Sackgasse angekommen sind und Megaherz seit dem Ausstieg des „Kapitäns“ ihren besten Zeiten hinterher laufen, stoßen Eisbrecher mit voller Fahrt in die Lücke der ausgebrochenen Neue Deutsche Härrrtewelle 2.0. Im Gegensatz zu Schlagerkönig Bernd („Geboren um zu(k)leben?“) dessen „Happy Gothic“ den Geist der schwarzen Szene aktuell aufs skurrilste ad absurdum führt, lassen Alexx und Pix im direkten Vergleich einen hungrigen Polarbären von der Kette. Treu der Devise: „Whiskey pur statt Cola mit Schuss“.

Dabei haben sich Eisbrecher mit „Eiszeit“ noch stärker auf Ihre Qualitäten besonnen und ihre Mischung aus stampfenden Beats, saftigen Gitarren und Wesselskys markantem Gesang  auf ein geradezu unverschämt clubtaugliches Niveau geschraubt. Auf der reinen Gefälligkeitsebene punkten Eisbrecher wie die Weltmeister. Den Laderaum vollgestopft mit potentiellen Clubhits, fällt es schwer in dem mit 42 Minuten Nettospielzeit (Remixe nicht eingerechnet) kurz und knackig geratenen Album einen Ausfall auszumachen. Allerdings erkauft Chefkomponist Pix das Plus an Eingängigkeit mit einem zusätzlichen Schuss Weichspüler, durch den das Schiff zuweilen hörbar Kurs auf jene unheiligen Gewässer nimmt, in denen Graf Bernd nicht wenige seiner alten Fans entzaubert zurück ließ.

So sammelt Pix die Schiffbrüchigen mit Songs wie „Eiszeit“ oder dem Gotik Schlager „Die Engel“ ein, während Kapitän Alexx als Wolf im Grafspelz die erfrorenen Herzen mit bissigen Seitenhieben wärmt. Unterstützt werden die beiden pikanterweise von Unheilig Keyboarder Henning Verlage, der neben diesen beiden Songs auch an der Produktion des Albums beteiligt war. Kreuzfahrt oder Kreuzzug? Das ist hier die Frage...

Doch zurück zum Wesentlichen. Weiter positiv erwähnenswert ist die ausgeklügelte Balance aus Rock- und Electroelementen, mit der es Eisbrecher schaffen den Hörer für sich einzunehmen. Selten hat es eine Band bisher geschafft beide Elemente gleichberechtigt miteinander zu verflechten und dabei eine solch organische Verbindung herzustellen, dass man oftmals gar nicht merkt wie einem geschieht. Das wuchtige „Bombe“, oder der Tanztempel-Groover „Gothkiller“ sind sehr schöne Beispiele dafür. Wogegen das aggressive „Amok“ ein sehr gelungenes Experiment darstellt. Obwohl der Song auf ein rein elektronisches Gewandt setzt, rockt einen die Nummer dermaßen durch die Wand, dass einem gar nicht auffällt dass hier keine Gitarren am Werke sind. „It may not be metal, but definitely the next best thing!“

Während beim Sound alles voll im Fluss ist, können die Texte hingegen nicht immer überzeugen. Dabei sind es „nicht“ einmal die herrlich naiven Reim Dich oder ich fress Dich Texte á la „Bombe“ oder „Amok“ die aus dem Rahmen fallen. Stattdessen dümpelt man vor allem zu Beginn des Albums in arg flachen Gewässern („Böses Mädchen“) oder gibt sich krampfhaft selbstreferenziell („Eiszeit“). Ab und an kommt den Eisboys inmitten der Schlagwortprosa ein wenig die Message abhanden, sodass man klar positionierte oder kritische Songs wie „Alkohol“, „This is Deutsch“, schon etwas genauer suchen muss. Gegenteilige Beispiele sind das viel zitierte „Amok“, „Kein Wunder“ und „Dein Weg“, das zwar oberflächlich die Schlagerebene bedient, aber immerhin ohne die bis zum erbrechen ausgelutschte Engelsmetaphorik auskommt.

Stimmlich liefert der Kapitän Alexx dagegen seine bisher beste und variabelste Leistung ab. Vom gefühlvollen Schmachtfetzen bis hin zum obligatorischen King Kong Moment („Supermodel“) lotet der kahle Hüne seine Möglichkeiten souverän aus und drückt dem Album mit seiner Stimme den typischen Alexx Stempel auf. Zudem bekommt er Unterstützung von Lacrimas Profundere Wollmütze Rob Vitacca, der in „Gothkiller“ (übrigens ein genialer Bastard aus Sisters of Mercy und Modern Talking Hymne) ein gehöriges Wörtchen mitzuträllern hat. Ebenfalls zu Gast Ex-Oli P. Chanteuse Tina Frank („Flugzeuge im Bauch“), die als weibliches Pendant überraschend oft im Hintergrund zu hören ist und auch mal ein kurzes Solo bestreiten darf.

Insgesamt legen Eisbrecher mit „Eiszeit“ ein Album vor, dass ihre Fans in jeder Hinsicht zufrieden stellen wird. Der Eisbrecher Sound ist trotz hörbaren Feintunings weitgehend der Alte geblieben. Ein englischsprachiger Song und zusätzliche Synthisounds von Unheilig-Henning lassen zwar Veränderungen erkennen, doch das Gesamtbild dominieren weiter die bekannten auf Stahl und Kälte getrimmten Elemente. Immerhin fallen die 11 Songs + 2 Remixe abwechslungsreich aus und dudeln nicht lange um den heißen Brei. Überragenden Tiefgang sollte man sich von den Songs jedoch nicht erwarten, was auch ein wenig an der Halbwertzeit der Stücke nagt. Dafür sollte das neue Material sowohl in den Clubs als auch Live erstklassig funktionieren und den Fans eine Eiszeit bescheren, an die sie noch lange zurückdenken werden.

8 / 10
Ritti

PS: Als zusätzliches Bonbon liegt der Limited Edition des Albums eine DVD mit drei Songs des Jahresabschlusskonzerts 2009 aus dem LKA Stuttgart bei, sowie ein Onlinezugang für diverse Desktopmotive und den [:S.I.T.D.]-Remix zu “Segne Deinen Schmerz”.


Anspieltips:
Bombe
Gothkiller
Dein Weg
Amok