10 / 10 Punkten
 


Disc Facts:



Label: Mercury/Island

Spieldauer: 48:56 Min

Tracklist:
-Prologue
-No Education
-Faraway
-Somewhere Around Nothing
-Drive
-Cohkka
-Conclusion
-Resurrection
-Heat
-Cortége
-Pandemonium
-Toreador II
-Epilogue
 

WWW: Apocalyptica.com

 

Apocalyptica - Reflections:


Da warens nur noch drei! Als Gründungsmitglied Max Lilja im vergangenen Jahr das ungewöhnlichste Streichquartett der Welt verließ, wurde es lange Zeit sehr still um Apocalyptica. Einige wenige Festivalauftritte im Sommer blieben für Monate das letzte Lebenszeichen, was man von dem verbliebenen Trio zu hören bekam und so manch einer mag sich gefragt haben, was Bandkopf Eicca Toppinen in seinem stillen Kämmerlein an neuen Schandtaten aushecken würde. Nun da das neue Album „Reflections“ erschienen ist, kann man die Pause wahrlich als Ruhe vor dem Sturm bezeichnen, denn es hat sich einiges getan:

Zunächst einmal wurde die holde Dreisamkeit der Herren Toppinen, Kivilaakso, Lötjönen beendet und ein viertes Mitglied mit ins Boot geholt. Wer nun aber glaubt, ex-Apokalyptiker Antero Manninen wäre recycelt worden, wandelt definitiv auf dem Holzweg. Vielmehr begeben sich besagte Herren weiterhin zu Dritt auf die Suche nach dem goldenen Cellostrich und fahren stattdessen im Zuge musikalisch-konzeptioneller Weiterentwicklungen deutlich härtere Geschütze in Form eines waschechten Drummers auf, der überdies auf den Namen Dave Lombardo hört und bekanntermaßen hauptberuflich für „Slayer“ die Knüppel schwingt. Im stetigen Wechsel mit Sami Kuoppamäki sorgt Lombardo ab sofort für schlagende Argumente, die den Sound von „Reflections“ deutlich prägen. Denn wo auf „Cult“ klassische Percussioneffekte zum experimentierfreudigen Beiwerk verkamen, setzt das neue Album konsequent auf schwungvolles Drumming, das den Celli mehr als nur ebenbürtig gegenüber steht.

In der Tat enthält das Album nur zwei Stücke ohne Schlagwerk-Einsatz, was dem Material absolut gut Gesicht steht, da die Stücke dadurch nicht nur deutlich an Profil gewinnen, sondern auch allen notorischen Schädelschwingern zusätzliches Moshfutter liefern. Exemplarisch für diese Entwicklung stehen gleich die beiden Opener „Prologue“ und „No Education“, die mit einer für Apocalyptica völlig untypischen härte wuchtig voran preschen und den Weg für ein furioses Spektakel ebnen, das über die weiteren 40 Minuten hinweg abgebrannt wird. Rasante Schwinger wie „Somewhere Around Nothing“ und treibende Grooves mit dem mechanischen „Drive“ stehen an der Tagesordnung und zeigen, dass Apocalyptica gewillt sind, sich vom zuweilen biederen Klassikrock-Mischling vergangener Tage hin zu einer waschechten Metalcombo zu entwickeln. Hörbar ist dies auch in der Stimmung der einzelnen Celli, die nun wesentlich differenzierter klingt und die Aufgaben eindeutiger verteilt. Einer spielt den Bass, einer die cleanen Parts und der Dritte ratzelt in bester Gitarrenmanier drauflos.

Wer jetzt aber befürchtet, dass Eicca und Co. ihre klassischen Wurzeln vollends aus den Augen verloren haben, sei an dieser Stelle dennoch beruhigt. Mit „Faraway“ und „Conclusion“ fanden zwei wunderschöne Balladen den Weg auf das Album, in denen die Finnen alle Trümpfe eines Streichensembles absolut gewinnbringend zum Einsatz bringen. Vor allem „Faraway“ mit seiner eingängigen Melodie wartet nur sehnlichst darauf im Soundtrack einer der nächsten Hollywood Liebesschwarten verwurstet zu werden. Darüber hinaus ist das Songwriting, welches im übrigen dieses mal zu 100% aus apokalyptischer Feder stammt, weiter voll von klassischen Arrangements, die jedoch, wie schon erwähnt, wesentlich rigider präsentiert werden. Ein sehr gutes Beispiel für die Verflechtung beider musikalischer Welten ist das Stück Cortége: Angefangen bei düster-harmonischen Streicherparts explodiert sodann die Wucht des Lombardischen-Infernos welches zu rasantem Cellospiel brachiale Härte entwickelt.

Das verspielt-filigrane „Pandemonium“ und das bombastische „Toreador 2“, welches zusätzlich mit Trompeten und spanischem Temperament besticht, sind nur zwei weitere Zeichen dafür, dass Herr Toppinen und seine Mitstreiter ihre Hausaufgaben gemacht haben. Aus diesem Grund kann es abschließend auch nur ein Urteil geben:

„Reflections“ ist ein echtes Meisterwerk. Selten funktionierte die Mixtur aus Metal und Klassik derart unwiderstehlich wie hier und endlich haben es Apocalyptica geschafft sich selbst ein musikalisches Profil zu verleihen, das weder gewöhnlich, noch intensiv und anstrengend daher kommt. Darüber hinaus hat Eicca Toppinen mit diesem Album endgültig bewiesen, dass er mehr auf dem Kasten hat als alte Metallica-Songs neu aufzugießen. Vielmehr zeigt er sich als abwechslungsreicher Schreiber mit dem goldenen Näschen für die richtige Mischung und eingängige Melodieführung bei erfrischender Härte.

Selten waren Apocalyptica so stark wie mit diesem Album und dafür ziehe ich zum ersten Mal in der Geschichte von Rittis Welt die 10 Punkte. Echt Top(pinen)!

der Ritter